Von einem Tag auf den anderen sahen sich Tausende von Unternehmern mit einem völlig unerwarteten Szenario konfrontiert: dem sofortigen und alternativlosen Umstieg aufs Home-Office. Vor Monaten installierte Konferenzsoftware wurde zum ersten Mal geöffnet. Webcams nicht erkannt. Mitarbeiter suchten einen Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden, irgendwo zwischen Kaffeemaschine und Kinderzimmer. Plötzlich musste geschehen, was seit Jahren vorhergesagt wurde – die Corona-Krise wird zum Katalysator für die Digitalisierung der Wirtschaft.

Eins ist klar: Unternehmen wurden gezwungen Strukturen zu schaffen, die die Krise überdauern werden und somit nachhaltig verändern, wie wir leben und arbeiten. Und das nicht nur in Deutschland – die Krise treibt die Digitalisierung der Wirtschaft weltweit an. Es ist wichtiger als je zuvor, Geschäftsmodelle, Angebote, Arbeitsmodelle und Denkweisen flexibel an neue Bedingungen anzupassen – und in einer Zeit, in der Abstand das Gebot der Stunde ist, bietet die Digitalisierung die dringend benötigten Antworten. Oder um es mit Frank-Walter Steinmeier zu sagen: „Die Welt danach wird eine andere sein.“
Wie gehen deutsche Unternehmen mit dieser Situation um? Bewältigen Sie die digitale Transformation einfach so auf Knopfdruck? Um eine erste Antwort auf diese Fragen zu geben, haben wir eine Online-Umfrage* unter 530 kleinen und mittleren Unternehmen zum Thema Remote-Arbeit durchgeführt. Sie zeigt, dass deutsche Unternehmen es geschafft haben, sich in kürzester Zeit an die neue Extremlage anzupassen.
Im Folgenden zeigen wir euch anhand von 4 Faktoren, wie die Corona-Krise die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland vorantreibt.
Raus aus der Digitalisierungswüste: Wie die Krise die Digitalisierung der Wirtschaft antreibt
Dass Deutschland im globalen Vergleich bei der Digitalisierung hinterherhinkt, war in den letzten Jahren ein Allgemeinplatz, der sich leider immer wieder mit Zahlen belegen ließ. Es war sogar die Rede von der „Digitalisierungswüste Deutschland“. Es ist nicht immer einfach, der aktuellen Krise etwas Positives abzugewinnen, aber in den folgenden vier Punkten hat sich tatsächlich gezeigt, dass deutsche Unternehmen die plötzlichen Herausforderungen erfolgreich angehen. Auch und gerade im Bereich Digitalisierung.
1. Der technologische Wandel
Die Ausgangssperre hat die Überlebensfähigkeit vieler Marken und Unternehmen in verheerender Weise bedroht. Kleine und mittelständische Unternehmen haben sich jedoch schnell technologisch angepasst, um gegen die schwierigen Marktbedingungen anzukämpfen:
1. Unternehmen investieren in neue Software, Mitarbeiter passen sich schnell an.
2. Sie setzen dabei immer mehr auf die Cloud.
3. Die größten Investitionen werden in den Bereichen Kommunikation und Sicherheit getätigt.
Unsere Umfrage ergab, dass 35 % der KMU neue Software kauften und weitere 18 % die Anschaffung neuer Software planen. Mitarbeiter konnten sich unserer Umfrage zufolge ohne Schwierigkeiten an die neuen Softwareanwendungen gewöhnen. Ganze 70 % geben an, den Umgang mit den Tools einfach bis sehr einfach erlernt zu haben.
Auch die Software-Infrastrukturen haben sich in Deutschland gewandelt. Während Unternehmen lange dem Einsatz von Cloud-Software aufgrund von Datenschutzbedenken skeptisch gegenüber standen, setzen sie nun vermehrt auf die Technologie, um die Remote-Zusammenarbeit zu vereinfachen. So nutzen 42 % der Mitarbeiter ausschließlich Cloud-Anwendungen im Home-Office.
Technologieinvestitionen verlagern sich weg von den ursprünglich geplanten Bereichen und hin zu Softwarerubriken, die für die Zusammenarbeit, Remote Unterstützung und Sicherheit benötigt werden.

Zukunftsblick: Die rasche Übernahme von Software und Cloud-Technologien in deutschen KMU wird erheblich zur Innovation von Geschäftsprozessen und -abläufen beitragen. Entscheidend ist allerdings, dass Datensicherheit und Datenschutz mit der gleichen Geschwindigkeit übernommen werden. Andernfalls steigen für Unternehmen die Risiken, die mit der Digitalisierung einhergehen. Die Gefahr liegt hier darin, dass schnell gefundene Lösungen als dauerhafte Provisorien erhalten bleiben.
2. Digitale Angebote vermehren sich
Fitness-Studios strahlen Trainingsvideos über YouTube aus, Restaurants bieten auf einer selbsterstellten Webseite Essenslieferungen an, Immobilienmakler verlagern die Wohnungsbesichtigung ins Internet und Lehrer unterrichten ihre Schüler per Webcam.
In unseren Umfrageergebnissen wird sichtbar, dass viele Unternehmen die Krise nutzen, um die Digitalisierung voranzutreiben und neue digitale Vertriebskanäle aufzubauen. Stolze 59 % aller kleinen und mittelständischen Unternehmen haben ihr Geschäftsangebot entweder vollständig (16 %) oder teilweise (43 %) angepasst, damit es jetzt virtuell bereitsteht.
Welche Branchen in Deutschland ihr Angebot dabei am meisten angepasst haben, sehen wir in der nachstehenden Grafik.

Zukunftsblick: Die momentane Krise bringt den Zwang zur Veränderung mit sich. Digitale Angebote werden sich jedoch auch nach der Krise als wertvoll für Kunden erweisen. Daher sollten Unternehmen die Kundenorientierung als Schlüsselfaktor für Entscheidungen zur digitalen Transformation nutzen. Denn wie Prof. Dr. Andreas Schmietendorf erklärt, liegt “der Schlüssel zur Digitalisierung letztendlich beim Verständnis der Kundenbedürfnisse und bei der Fähigkeit der Integration auf allen Ebenen – von einer rein technologischen bis zu einer soziologischen Ebene der Integration. Wer das kann, wer das beherrscht, der wird zum Schluss erfolgreich sein.”
3. Remote-Arbeit als neuer Standard
Schön ruhig von zu Hause am eigenen Schreibtisch bei einer Tasse Kaffee, sanfter Musik und ohne störenden Lärm der Kollegen arbeiten: Klingt das nicht schön? Bisher galt die Remote-Arbeit als Vorteil, den nur wenige Mitarbeiter genießen konnten. Dies hat sich seit Beginn der Krise jedoch geändert. 45 % der Unternehmen haben ihre Mitarbeiter als Reaktion auf COVID-19 Vollzeit ins Home-Office geschickt.

Knapp ein Drittel der Mitarbeiter, die momentan im Home-Office sitzen, arbeiten ansonsten im Büro. Das ist eine große Umstellung, die noch dazu nicht freiwillig erfolgte. Daher haben wir mit einem eher negativen Stimmungsbild gerechnet. Jedoch ganz im Gegenteil: 70 % der remote arbeitenden Angestellten teilen uns mit, dass sie gerne von zu Hause arbeiten.
Dabei wurden und diese drei Punkte als größte Vorteile der Remote-Arbeit genannt:
- Kein Pendeln
- Die Möglichkeit, Arbeitszeiten an Verantwortlichkeiten im Privatleben anzupassen
- Lockerer Dresscode
Zukunftsblick: Wenn so viele Menschen angeben, dass sie gerne von zu Hause arbeiten und Arbeitgeber sehen, dass sich die Produktivität nicht verschlechtert, dann wird die Remote-Arbeit auch nach der Krise in großem Umfang beibehalten oder eingeführt.
4. Die Unternehmensführung treibt Digitalisierung voran
Das Aufstellen und Durchführen einer Digitalisierungsstrategie beginnt in der Unternehmensführung. Diese ist ebenfalls für die erfolgreiche Durchsetzung der neuen Maßnahmen verantwortlich. Einfach nur Software kaufen ist noch kein erfolgreicher Digitalisierungsprozess. Neben dem Faktor Technologie entscheidet auch immer der Faktor Mensch über Erfolg oder Misserfolg der Digitalisierungsmaßnahmen.
Die Unternehmensführungen in Deutschland haben in diesem Punkt besonders gut abgeschnitten. Nur 6 % der Befragten geben an, dass sie von ihren Vorgesetzten keine Anleitung zur Remote-Arbeit erhalten haben. Die Mehrheit der Unternehmen führen ihre Mitarbeiter durch Veränderungen in der Arbeitsweise.

Die meisten Richtlinien erhalten Mitarbeiter zu den Themen Arbeitszeiten, Kommunikation und Team-Meetings. Genau hier treten auch die meisten Schwierigkeiten auf. Auf die Frage, was die größten Herausforderungen bei der Remote-Arbeit seien, werden fehlende soziale Kontakte & Einsamkeit sowie Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit Kolleg*innen am häufigsten genannt.
Zukunftsblick: Neben der Vorgabe von Richtlinien wird die Unternehmensführung auf Dauer kreativer werden müssen, um ihre Mitarbeiter im Home-Office zu motivieren. Neben der Ausstattung des Teams mit der richtigen Technologie ist es wichtig, eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der alle Beteiligten sich wertgeschätzt und dem Team zugehörig fühlen und gleichzeitig eigenverantwortlich agieren. Wichtig ist auch ein Vertrauensverhältnis zwischen den Teammitgliedern untereinander sowie dem Team und dem Management, besonders wenn es um die Leistungsbeurteilung geht.
Eine Oase ist bereits in Sicht
Deutsche Unternehmen haben sich schnell an die Krise angepasst, vor allem wenn man bedenkt, wie weit hinten die meisten bei der digitalen Transformation vor Kurzem noch lagen. Wenn es eine positive Sache der Corona-Krise gibt, dann die angekurbelte Digitalisierung der Wirtschaft. Auch wenn es noch viel zu verbessern, lernen und digitalisieren gibt, können wir bereits mächtig stolz auf uns sein. Die ersten Schritte aus der Digitalisierungswüste sind gemacht und die Digitalisierungsoase ist in der Ferne bereits in Sicht.
*Methodik der Studie:
Capterra führte diese Online-Umfrage zwischen Ende März und Anfang April 2020 unter 528 voll- oder teilzeitbeschäftigten Deutschen aus verschiedenen Branchen kleiner und mittelständischer Unternehmen (2 bis 250 Mitarbeiter) durch, die wegen der Krise von zu Hause aus arbeiten. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Umfrage, aber nicht notwendigerweise für die deutsche Bevölkerung als Ganzes.
Hinweis: Bei einigen Fragen standen mehrere Antwortoptionen zur Verfügung, sodass die Gesamtsumme der Prozentwerte in den Grafiken 100 % übersteigt.