Personaler sind mit der Fülle an Bewerbungen überlastet. Laut einer Studie des Staufenbiel Institut und Kienbaum checken 40 % der Personaler Bewerbungen in weniger als fünf Minuten. 

Das manuelle Durchgehen aller Lebensläufe, die Organisation von Vorstellungsgesprächen und die Auswahl der richtigen Kandidaten ist ein zeitaufwändiger Prozess. HR-Fachleute setzen zur Unterstützung zunehmend künstliche Intelligenz (KI) im Recruiting ein, um mehr Zeit für die Kandidatenauswahl zu haben. 

Was halten die Deutschen eigentlich von einem AI unterstützten Recruitingprozess? Halten sie es für fair, sich von einer Maschine beurteilen zu lassen? Was wird akzeptiert und was nicht? Da der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Recruiting zunimmt, ist es wichtig die soziale Akzeptanz zu berücksichtigen. Capterra hat dies anhand einer Studie* von 494 Teilnehmern untersucht. 

Künstliche Intelligenz im Recruiting

Highlights der Studie: 

  • 40 % denken, dass KI den Rekrutierungsprozess fairer macht.
  • 47 % empfinden ein KI-System, welches das Bewerbungsgespräch führt, als unangenehm. 
  • 76 % wollen sich im Nachhinein einen Einblick in die Schlussfolgerungen eines KI-Systems verschaffen können.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Recruiting

Der Einsatz der richtigen Talente ist entscheidend für den Geschäftserfolg. Die Talente zu finden, ist jedoch eine zeitaufwändige Angelegenheit. Sich wiederholende Aufgaben können durch KI automatisiert werden. Dadurch gibt die künstliche Intelligenz Personalvermittlern Zeit, sich um wichtigere Aufgaben zu kümmern. Die KI kann ebenfalls mit Bewerbern kommunizieren und sogar Bewerbungsgespräche führen. Wir fragten unsere Teilnehmer was sie von drei wichtigen Bereichen, in denen die künstliche Intelligenz im Recruiting eingesetzt wird, halten. 

Anwendungen der künstlichen Intelligenz im Recruiting

1. Schnellere Vorauswahl

Rekrutierungs- und HR-Fachleute nutzen zunehmend die KI, um die erste Runde der Kandidatenkürzungen vorzunehmen. Die Regeln für die Eliminierung eines Lebenslaufs aus dem Prozess basieren oft auf dem Erfolg früherer oder ähnlicher Bewerber. Somit können Personalvermittler den Aufwand und die Zeit, die in dieser Phase aufgewendet werden, reduzieren. 

2. KI-basierten Chatbots, die einfache Fragen stellen

Chatbots können z.B. Bewerbungsgespräche planen, einfache Fragen über die Kultur innerhalb eines Unternehmens, das Gehalt oder die Arbeitsumgebung beantworten. Chatbots können Recruiter unterstützen, indem sie den Kandidaten einfache Fragen zu ihren Kontaktdaten oder freien Terminen stellen.

3. KI-geführte Bewerbungsgespräche

KI kann Recruiter bei Bewerbungsgesprächen unterstützen. Dies geschieht meist durch die Analyse der Körpersprache, Mimik und verwendeten Sprache des Bewerbers. Die KI registriert zum Beispiel, welche Wörter ein Bewerber verwendet, wie gut er sich artikuliert und wie emotional er spricht, wie entspannt er wirkt und wie oft er lächelt. Eine Auswertung kann dem Recruiter ein besseres Bild über die Persönlichkeit des Bewerbers geben und bei der Entscheidung helfen, ob er für den Job geeignet ist und in das Team passt. Das Bewerbungsgespräch kann durch KI unterstützt mit einem Recruiter geführt werden oder komplett von der künstlichen Intelligenz übernommen werden. 

Künstliche Intelligenz im Recruiting bei der Bewerber-Vorauswahl

Was wird beim KI-geführten Bewerbungsgespräch akzeptiert?

Neben der Analyse von Körpersprache, Mimik und Sprache ist eine weitere Form der KI bei der Rekrutierung die Analyse der Online-Aktivitäten von Kandidaten in sozialen Medien. KI-Unternehmen bieten beispielsweise die Möglichkeit, auf der Grundlage der Analyse der Social-Media-Aktivitäten einen Bericht über Bewerber zu erstellen. 

Schauen wir uns einmal an, was Deutsche davon halten, durch die KI analysiert und bewertet zu werden. 

KI-Analyse und Bewertung der Bewerber

Auch wenn die oben genannten Rekrutierungstechniken bereits angewandt werden, bleiben die Befragten vorsichtig. Die Studie zeigt, dass die meisten Deutschen solche Analysen unangemessen oder schwer zu akzeptieren finden. Es ist verständlich, dass diese Formen der KI-Analyse Bedenken hinsichtlich des Schutzes der erhaltenen Daten, der Meinungsfreiheit und der Diskriminierung aufwerfen.

Die große Frage: Ist AI voreingenommen oder nicht?

Kritiker vermuten, dass die Verwendung der KI bei der Rekrutierung Voreingenommenheit fördern kann. Andere Bereiche, die Anlass zur Besorgnis geben, sind der Mangel an Verantwortlichkeit und Transparenz des Einstellungsprozesses sowie Probleme mit den Daten, aus denen die Maschine lernt.

Ein gutes Beispiel dafür ist ein von Reuters über Amazon berichtetes Problem. Das globale Unternehmen schuf einen Algorithmus, der bei einigen seiner Stellenangeboten unbeabsichtigt männliche Bewerber gegenüber weiblichen Bewerbern bevorzugte. 

Die KI stützte ihre Entscheidungen auf ein Jahrzehnt von Lebensläufen, die dem Unternehmen vorgelegt wurden und von denen die meisten Männer waren. Dies spiegelte die Dominanz der Männer in der gesamten Branche wider. Als Folge davon brachte sich die KI selbst bei, dass Männer die bevorzugten Kandidaten waren. Sie schulte sich sogar darin, Lebensläufe mit Schlüsselwörtern “Frauen” (wie in “Frauenschachklub”) auszusortieren. Sobald Amazon auf dieses Problem aufmerksam wurde, änderten sie die Programme.

Daten sind nicht frei von menschlichen Einflüssen und können in vielerlei Hinsicht verzerrt sein. Wenn diese “verzerrten” Daten als Trainingsdaten für eine KI verwendet werden, kann dies zu Diskriminierung führen. Unternehmen haben aus den Fehlern dieser “Early Adopter” gelernt.

Um Verzerrungen zu verhindern, wird die Funktionsweise der KI jetzt genauer untersucht und es kommen langsam Lösungen auf den Markt, die versuchen, Verzerrungen zu verhindern. Beispiele hierfür sind Explainable AI und Interpretierbares Maschinelles Lernen. Diese Werkzeuge untersuchen, inwieweit maschinelle Entscheidungen durch Vorurteile bestimmt werden und geben Einblick in die Argumentation des Computers. Dadurch kann angezeigt werden, welche Faktoren die Entscheidung positiv oder negativ beeinflusst haben.

Dank dieser Instrumente wird die Funktionsweise der KI sehr viel transparenter, sodass der Prozess auch für die Kandidaten transparenter gestaltet werden kann. Und das ist wichtig für das Vertrauen in die KI.

Was sagen unsere Umfrageteilnehmer dazu?

Schafft künstliche Intelligenz im Recruiting einen faireren Prozess

Die Frage nach der Voreingenommenheit von KI ist also nicht so leicht zu beantworten. Bei unserer Befragung haben wir ein Unentschieden: 38 % der befragten Teilnehmern glauben, dass KI voreingenommen sein kann, 38 % glauben es nicht. 

So meint ein Umfrageteilnehmer, auf die Frage, warum KI den Rekrutierungsprozess fairer macht: “Der Prozess wird fairer, weil KI keine persönlichen Eindrücke bzw. persönlichen Geschmack oder Sympathie in die Entscheidung einfließen lässt.” Ein anderer äußert sich folgendermaßen: “Die KI ist unvoreingenommen, was das Aussehen eines Menschen angeht, wo viele Bewerber auf normalen Weg schon aussortiert werden, weil sie einem optisch nicht passen.”

Ein Umfrageteilnehmer, der nicht glaubt, dass KI den Rekrutierungsprozess fairer machen kann, teilt seine Erfahrungen mit uns: “KI lässt die menschliche Komponente voll außer acht. Z.B. ich habe vor ca. 5 Jahren einen 57-jährigen Außendienstverkäufer eingestellt, der langzeitarbeitslos war, Konkurs gemacht hatte, kein abgeschlossenes Studium hatte, also einen Mann, der durch jede KI durchgefallen wäre. Ich habe aber das Potenzial gesehen. Er ist heute mein Vertriebsleiter und generiert jedes Jahr den meisten Umsatz, aber das tollste ist, dass er Jungverkäufer neidlos und verantwortungsvoll an die Hand nimmt, und diese so wesentlich motivierter sind und früher Umsatz generieren. Keine KI kann das.”

Transparenz im Bewerbungsprozess ist der Schlüssel

Wird KI die Einstellung durch Personaler ersetzen? Das ist unwahrscheinlich. Aber es ist wahrscheinlich, dass die KI mehr und mehr in den Einstellungsprozess integriert wird, damit Personaler intelligenter und effizienter arbeiten können.

Unternehmen, die zukünftig mit KI arbeiten wollen, sollten Transparenz an erste Stelle setzen. Transparenz ist die Grundlage für Vertrauen. Das zeigen auch die Ergebnisse der Umfrage sehr deutlich: 76 % der Befragten wollen sich im Nachhinein einen Einblick in die Schlussfolgerungen eines KI-Systems verschaffen können. Je transparenter das Verfahren, desto fairer wird das Auswahlverfahren wahrgenommen.

Wie geht es weiter? Wirf einen Blick auf unser Recruiting Software Verzeichnis, um das passende Tool zu finden.

*Methodik der Studie: 

Die Daten für die Studie “KI im Recruiting” wurden vom 24. Februar bis 30. März 2020 bei einer Online-Umfrage unter 494 in Voll- oder Teilzeit arbeitenden Deutschen zwischen 18 und 65 Jahren durchgeführt, die wissen, was künstliche Intelligenz ist.