Was ist ein Projekt? Der Begriff „Projekt“ wird in den letzten Jahren über Gebühr strapaziert. Teilweise ist sogar scherzhaft von „Projektitis“ die Rede, wenn in Unternehmen jede neue Aufgabe kurzerhand zum „Projekt“ erhoben wird. Es gibt aber auch das andere Extrem: Unternehmen, die sich standhaft weigern, in größeren Vorhaben ein Projekt zu sehen. Beide Ansätze sind problematisch.
In der einschlägigen Fachliteratur wimmelt es von Versuchen, den Begriff „Projekt“ zu definieren. Und selbstverständlich gibt es dafür auch eine DIN-Norm (69901), die ein Projekt wie folgt definiert:
„Ein Projekt ist ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, z.B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen, Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben und projektspezifische Organisation.“
Verstanden? Nein? – Kein Wunder, denn diese Definition ist nur bedingt tauglich, wenn es darum geht, Projekte von anderen Aufgaben im Tagesgeschäft zu unterscheiden. Sie wirft letztlich mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Dabei ließe sich der Projektbegriff auch etwas greifbarer beschreiben, denn es sind fünf typische Merkmale, an denen man ein Projekt erkennen kann.
1 – Konkrete Zielvorgabe
Wer sich den normalen Aufgaben seines Arbeitsalltags widmet, arbeitet deshalb noch lange nicht an einem Projekt. Ein Projekt entsteht nur dann, wenn es ein klares und messbares Ziel gibt, das mit dem Projekt erreicht werden soll – meist gibt es einen konkreten Anlass, ein Problem, das im Rahmen eines Projektes gelöst werden soll. Und um das Ziel zu erreichen, müssen eigens Aktivitäten geplant und umgesetzt werden.
2 – Zeitliche Begrenzung
Projekte sind typischerweise zeitlich begrenzt; von Anfang an ist klar, dass das Projektziel zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht sein muss. Routinearbeiten und Aufgaben, die keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen, gehören daher nicht zu den Projekten, sondern sind ganz einfach operatives Tagesgeschäft.
3 – Begrenzte Ressourcen
Die eigentliche Herausforderung für den Projektleiter besteht darin, ein Projektziel in einer bestimmten Zeit zu erreichen. Er ist dabei auf den Einsatz von Ressourcen angewiesen, die ihm in der Regel nur in begrenztem Maße zur Verfügung stehen: Geld, Personal, Materialien, Hilfsmittel, etc. Das Tagesgeschäft wird – im Vergleich dazu – mit „Bordmitteln“ bewältigt.
4 – Neuartigkeit & Einmaligkeit
Ein Projekt stellt eine neue Herausforderung dar, da es sich nicht um einen wiederholten Routinevorgang im geschäftlichen Alltag handelt. Projekte sind vielmehr Vorhaben, die in dieser Form noch nicht durchgeführt wurden – sie sind in gewisser Weise neuartig und werden in der Regel auch nur einmalig durchgeführt. In Projekten betritt der Projektleiter mit seinem Team Neuland. Im Gegensatz dazu stehen Routineaufgaben, die täglich, wöchentlich oder auch monatlich immer wieder in gleicher Weise bewältigt werden müssen.
5 – Größe & Komplexität
Von einem tatsächlichen Projekt sprechen die meisten Experten erst dann, wenn die gestellte Aufgabe vergleichsweise komplex ist. So sind etwa mehrere Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen in das Vorhaben involviert. Zudem werden oft verschiedene Technologien und Fachwissen aus unterschiedlichen Bereichen benötigt, um die Aufgabe zu bewältigen.
Wirklich alles nur Wortklauberei?
Der Projektbegriff wird in der Praxis unscharf und vielfach falsch verwendet. Aufgaben, die nicht wirklich projektwürdig sind, werden als „Projekte“ bezeichnet – und umgekehrt. Als Unternehmen stellt man sich besser folgende Fragen: Haben wir eine solche Aufgabe schon einmal gelöst und haben dafür standardisierte Prozesse? Oder betreten wir Neuland und die Aufgaben werden erstmalig gelöst? Kann die Aufgabe in Einzelarbeit bewältigt werden, oder ist fachübergreifende Teamarbeit notwendig?
Nicht überall wo „Projekt“ drauf steht, ist auch ein Projekt drin. Viele Aufgaben oder Vorhaben werden leichtfertig als „Projekt“ bezeichnet. Wenn dafür dann im Unternehmen spezielle Vorgehensweisen erforderlich sind oder bestimmte Regularien eingehalten werden müssen, dann kann das eine einfache Routineaufgabe unnötig erschweren.
Umgekehrt gibt es in jedem Unternehmen eine Reihe von Vorhaben, die mehr oder weniger komplex sind und von mehreren Mitarbeitern gemeinsam bearbeitet werden müssen. Viele dieser Projekte werden nicht richtig eingeschätzt und deshalb auch nicht strukturiert bearbeitet. Kein Wunder, dass solche Vorhaben immer wieder in Schwierigkeiten geraten.
Autorenprofil
Mario Neumann hat 15 Jahre in einem internationalen IT-Konzern als Experte für Projektmanagement gearbeitet. Seit 2008 entwickelte er als selbständiger Trainer und Berater sein Konzept für „Situatives Projektmanagement“, mit dem er Projektleiter für alle Phasen ihrer Projekte fit macht.