
Schon ein einzelner Mitarbeiter kann für ein kleines Unternehmen einen großen Unterschied machen. Je kleiner die Belegschaft ist, desto stärker wirkt sich ein einzelnes gutes (oder nicht so gutes) Teammitglied auf Produktivität, Arbeitsmoral und Unternehmenskultur aus. So gesehen ist es für KMU in gewisser Weise noch wichtiger als für Großunternehmen, die richtigen Kandidaten anzuziehen und zu binden.
Doch anders als große Unternehmen haben KMU oft weder eigene HR-Teams noch Beziehungen zu Personalvermittlungsagenturen. Es muss ihnen gelingen, mit weniger Mitteln mehr zu erreichen. Gleichzeitig steht der Arbeitsmarkt nie still und besonders die technologische Entwicklung verändert die Jobsuche und Einstellung rapide. Unternehmen müssen mit den aktuellen Trends im Recruiting Schritt halten, wenn sie die besten Talente anziehen wollen.
In diesem Artikel zeigen wir auf, welche drei Trends in den nächsten 12 Monaten die größten Auswirkungen auf Recruiter, Talentverantwortliche, HR-Fachkräfte und Personalmanager in KMU haben werden. Außerdem geben wir Tipps zur Optimierung von Recruiting-Strategien in der sich wandelnden Einstellungslandschaft.
Dabei geht es um die folgenden Fragen:
- Warum KMU es sich nicht mehr leisten können, sich zurückzulehnen und zu hoffen, dass die besten Bewerber zu ihnen kommen
- Wie du im Recruiting-Prozess ein Gleichgewicht zwischen KI und menschlichem Kontakt findest
- Wie du mit der Zunahme von KI-gestützten Bewerbungen umgehst
Trend 1: Die kreative, gezielte Bewerbersuche wird immer wichtiger
Der Recruiting Innovations Bullseye Trends Report 2024 von Gartner zieht ein eindeutiges Fazit: Bewerber erwarten, dass Unternehmen auf sie zukommen und sie finden. Arbeitgeber müssen also aktiv werden und innovativ sein, um die vielversprechendsten Talente anzuziehen. [1]
Doch mehr als zwei Drittel (68 %) der HR-Führungskräfte geben an, dass sie mit ihren aktuellen Personalbeschaffungsmaßnahmen nicht genügend wichtige Talente finden. Gleichzeitig gehen zwei Drittel von ihnen davon aus, dass die Konkurrenz um Bewerber kurzfristig zunehmen wird.

Bald wird es nicht mehr ausreichen, Stellenanzeigen online zu veröffentlichen und zu hoffen, dass sich gute Kandidaten bewerben. Vorausschauende Unternehmen suchen nach verschiedenen, teils von fortschrittlichen Technologien gestützten Lösungen, um aktiv Talente aus bisher ungenutzten Quellen zu finden.
4 Strategien für KMU zur Einstellung von Spitzenkräften
Gartner gibt folgende Empfehlungen, um auch weiterhin Top-Talente zu finden:
1. Suche außerhalb herkömmlicher Stellenbörsen
Online-Stellenbörsen sind seit mehreren Jahrzehnten der Hauptort für die Personalbeschaffung, doch es könnte sein, dass ihre Tage gezählt sind. Sie sind zwar schon lange etabliert und werden stark genutzt, doch Prognosen zufolge werden sie nicht an Bedeutung gewinnen, sondern könnten gegenüber anderen, aktiveren Recruiting-Lösungen zurücktreten.
2. Finde heraus, wie KI dir bei der Bewerbersuche helfen kann
KI-Technologien befinden sich noch in der Experimentierphase, doch vorausdenkende KMU können ihrer Konkurrenz zuvorkommen, indem sie sich bereits damit beschäftigen, wie KI sie jetzt und in Zukunft unterstützen kann. Die Recruiting Innovation Survey von Gartner zeigt auf, dass die Akzeptanz der KI-gestützten Talentsuche derzeit relativ gering ist (eingestuft auf Platz 14 von 18 Technologien). Gleichzeitig gehen Personalleiter jedoch davon aus, dass sie in der Zukunft die wichtigste Technologie sein wird.
3. Erschließe Talentnetzwerke
Communities rund um bestimmte Talente oder Eigenschaften haben großen Erfolg, sowohl online als auch offline. Diese auf Fähigkeiten und Diversität fokussierten Talentnetzwerke sind ebenfalls wichtige Pools für KMU-Recruiter, besonders angesichts der Tatsache, dass 92 % der HR-Führungskräfte das Talentmanagement fähigkeitsorientiert angehen möchten und 77 % der Recruiting-Führungskräfte planen, in den nächsten 12 Monaten die Ressourcen ihres Unternehmens für das Diversity Recruiting zu erhöhen.
4. Unterschätze nicht das Potenzial von Mitarbeitern, die zurückkehren
Unternehmen erkennen zunehmend den Wert von „Boomerang Employees“ – Ex-Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen haben und schließlich wieder zurückkehren. Jeder zehnte Recruiter gibt an, die letzte Stelle, die er besetzt hat, mit einem zurückkehrenden Angestellten besetzt zu haben. Viele Unternehmen investieren in das Alumni-Management, um gute Beziehungen zu ehemaligem Personal zu pflegen und diese Netzwerke auszubauen.
Trend 2: Arbeitssuchende erwarten ein durchdachtes Gleichgewicht zwischen KI und menschlicher Interaktion
KI verändert aktuell den Bewerbungs- und Einstellungsprozess in Unternehmen jeder Größe. Viele Unternehmen haben schnell KI-Tools eingeführt, doch sie sollten aufpassen, nicht zu viele ihrer HR-Aufgaben zu automatisieren.

Insgesamt begrüßen Bewerber die Nutzung von KI im Einstellungsprozess: Laut Capterras Umfrage zu KI bei der Jobsuche 2024* stehen weltweit zwar 65 % der Arbeitssuchenden dem Einsatz von KI durch Arbeitgeber beim Talent Sourcing, Bewertung und Einstufung von Bewerbung positiv gegenüber, doch mehr als ein Drittel (35 %) sieht dies negativ. Angesichts dieses relativ großen Anteils, der KI skeptisch betrachtet, sollten Unternehmen KI-Tools sehr vorsichtig verwenden.
Aus derselben Studie ging auch hervor, wo der Nutzen von KI beim Recruiting an Grenzen stößt. Capterra fragte, wie der KI-Einsatz während des Bewerbungsprozesses beeinflussen könnte, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich die Befragten auf eine offene Stelle bewerben würden. Faktoren sind beispielsweise, ob das einstellende Unternehmen transparent über die KI-Nutzung und die erfassten Daten informiert, ob Menschen Entscheidungen treffen oder nicht und ob die Bewerber während des Prozesses die Option haben, mit einem Menschen zu sprechen.
38 % der Arbeitssuchenden weltweit gaben an, dass sie wahrscheinlich ein Stellenangebot ablehnen würden, wenn das Vorstellungsgespräch und der Bewerbungsprozess zu stark auf KI basieren würden.

Doch wie viel KI-Nutzung ist „zu viel“? Die Capterra-Studie zeigt auch, dass bestimmte Schritte im Einstellungsprozess mit größerer Wahrscheinlichkeit gute Ergebnisse durch KI erzielen als andere. Unter anderem ergab sich Folgendes:
- 68 % der Befragten fühlen sich wohl mit der KI-Nutzung, wenn sie eingesetzt wird, um Chancengleichheit zu gewähren.
- 65 % fühlen sich wohl mit der KI-Nutzung, wenn sie zur Verwaltung von Kompetenzbewertungen eingesetzt wird.
- 65 % fühlen sich wohl damit, wenn KI ein Ranking oder eine Bewertung der Bewerber erstellt.
Diese Anwendungsmöglichkeiten sind gute erste Optionen für KMU, die KI im Recruiting einsetzen möchten. Sie stimmen am ehesten damit überein, was Bewerber von der KI-Nutzung im Bewerbungsprozess erwarten. Außerdem gehören sie zu den häufigen Standardfunktionen moderner Recruiting-Software und können unkompliziert aktiviert oder deaktiviert werden.
Auch eine offene und klare Kommunikation darüber, wann und wie KI eingesetzt wird, ist eine wichtige Maßnahme, um sicherzustellen, dass Bewerber sich wohl fühlen. Sie hat zusätzlich den Vorteil, dem Betrug durch Bewerber vorzubeugen (siehe unten), und könnte in manchen Ländern bald gesetzlich vorgeschrieben sein.
Im Vergleich dazu nehmen in Deutschland sogar 72 % der Arbeitssuchenden den Einsatz von KI seitens der Arbeitgeber bei der Talentsuche, Bewertung und Einstufung der Bewerbung positiv wahr. 28 % sind eher skeptisch. 40 % der Stellensuchenden in Deutschland würden vermutlich ein Jobangebot ablehnen, wenn der Bewerbungsprozess und das Vorstellungsgespräch und zu sehr auf KI beruhen würden.
Trend 3: Durch KI verschönte Bewerbungen kommen beunruhigend häufig vor
Nicht nur die einstellenden Unternehmen profitieren von KI, sondern auch die meisten Arbeitssuchenden geben an, sie einzusetzen. In der Capterra-Studie zu KI bei der Jobsuche 2024* gaben 58 % der Befragten weltweit an, KI-Tools als Hilfe bei ihrer aktuellen Jobsuche verwendet zu haben. In Deutschland liegt diese Zahl mit 60 % etwas höher.
Dabei nutzten viele die KI auf eine Weise, die für Personalverantwortliche besorgniserregend sein könnte: 83 % gaben an, mit KI-Tools ihre Fähigkeiten in einem Lebenslauf, einem Anschreiben, einer Bewerbung oder einem Kompetenztest besser dargestellt oder übertrieben zu haben.

Unter den in Deutschland Befragten, die KI-Tools zur Unterstützung bei der Arbeitssuche verwendet haben, übertreiben 87 % der Kandidaten ihre Fähigkeiten in Bewerbungen. Damit liegt Deutschland über dem globalen Durchschnitt.
Diese Zahl sollte KMU aufhorchen lassen: Es könnte häufiger vorkommen, dass sie glauben, eine besonders talentierte Person einzustellen, während es sich eigentlich um eine durchschnittliche Arbeitskraft handelt, die lediglich erfolgreich KI eingesetzt hat.
Wie groß der Grund zur Sorge ist, hängt ganz davon ab, wofür genau KI verwendet wird. KI-gestützte Grammatiktools zum Prüfen und Verbessern von Anschreiben zu nutzen ist im Geschäftsbereich ohnehin üblich. Doch wenn Personen mithilfe von KI Fragen bei Tests oder Vorstellungsgesprächen beantworten, ist das etwas ganz anderes, und die negativen Auswirkungen können sich weiter fortsetzen, wenn die Mitarbeiter auch nach der Einstellung KI-Tools für ihre Arbeit nutzen. Aktuelle GenAI-Tools können sehr überzeugende schriftliche Antworten und sogar Computercode erstellen, aber machen dabei oft Fehler. Die Ergebnisse können gut genug sein, um jemanden in die nächste Phase des Bewerbungsprozesses zu bringen, doch wenn der Bewerber nicht weiß, warum die KI so handelt, wie sie handelt, kann er im realen Arbeitsleben nicht erkennen, wann sie Fehler macht.
Wie können KMU also das Risiko von KI-gestütztem Betrug bei Bewerbungen reduzieren?
- Sprich offen über deine Erwartungen: Manche Bewerber sind unsicher, wann es in Ordnung ist, KI bei einer Bewerbung zu nutzen. Wenn du von Anfang an klar und offen darüber sprichst, kannst du sichergehen, dass zumindest die ehrlichen Bewerber sich nur auf ihre eigenen Fähigkeiten verlassen. So hältst du Betrüger natürlich nicht auf, aber legst klare Grenzen fest.
- Priorisiere visuelle Vorstellungsgespräche: Bei telefonisch durchgeführten Vorstellungsgesprächen können Bewerber KI nutzen, indem sie Antworten der KI vorlesen. Bei persönlichen Gesprächen oder Videoanrufen fällt dir dies sofort auf.
- Nutze eigene Technologien: Plagiatsprüfungstools werden schon lange in Schulen und Universitäten eingesetzt und bieten mittlerweile auch Funktionen zur Prüfung auf KI-generierte Inhalte. Diese Tools, die meist eine prozentuale Wahrscheinlichkeit angeben, ob Texte KI-generiert sein könnten, sind zwar nicht perfekt, aber unterstützen dich dabei, überzeugend wirkende, mit KI verbesserte Bewerbungen zu erkennen.
- Bestehe auf Referenzen: Wenn du unsicher bist, ob Bewerber wirklich über die genannten Fähigkeiten verfügen, frage bei Personen nach, die es wissen. Fragen an frühere Vorgesetzte oder Kollegen helfen dir, ein genaues Bild von Bewerbern zu machen und zu erfahren, wie ihre Fähigkeiten sich in der Vergangenheit im Arbeitsalltag bewährt haben.
Behalte aktuelle Recruiting-Trends im Blick, um Top-Talente anzuziehen
KMU sind in einer guten Position, um größeren Unternehmen beim Recruiting einen Schritt voraus zu sein. Sie können in kurzer Zeit Technologien einführen, mit denen sie auch in einem umkämpften Arbeitsmarkt schnell hervorragende Arbeitskräfte finden und einstellen können.
Dabei sollten sie nicht vergessen: Einer der größten Vorteile der Arbeit in einem kleinen Unternehmen ist der persönliche Kontakt zu den anderen Mitarbeitern. Wenn sich KMU zu sehr auf KI verlassen, riskieren sie, dass der Bewerbungsprozess kalt und unpersönlich wirkt und sie Kandidaten abschrecken, die mehr menschliche Interaktion wünschen. Gleichzeitig lädt ein stark KI-gestütztes Recruiting die Bewerber dazu ein, ebenfalls KI zu nutzen. Und das Letzte, was du brauchst, sind Hunderte KI-generierte Bewerbungen, aus denen du mühsam diejenigen heraussuchen musst, die wirklich von Menschen geschrieben wurden.
Wie so oft im Technologiebereich ist das richtige Gleichgewicht entscheidend. Mit den Tipps aus diesem Artikel können Recruiting- und HR-Fachkräfte in KMU in den nächsten Monaten an der Spitze der aktuellen Entwicklungen im Personalwesen bleiben.
In diesen kostenlosen Ressourcen findest du noch mehr Studienergebnisse und Tipps zur technologiegestützten Personalbeschaffung:
- 87 % machen sich KI zu Nutze, um ihre Bewerbung aufzupolieren: Wie Recruiter trotzdem die besten Kandidaten finden
- Die 5 besten HR-Software-Tools aus Deutschland
- Kostenlose Personalverwaltungssoftware: Die 5 besten Tools für deutsche KMU
- Studiendaten und Software-Tipps für Unternehmen, um das Thema Arbeitskosten anzugehen
- Die 5 besten Bewerbermanagement-Softwarelösungen im Vergleich
Quellen
Methodik der Umfrage:
*Die Job Seeker AI Survey 2024 von Capterra wurde im Juli 2024 online unter 2.997 Befragten in Australien (n=250), Brasilien (n=250), Kanada (n=250), Frankreich (n=247), Deutschland (n=250), Indien (n=250), Italien (n=250), Japan (n=250), Mexiko (n=250), Spanien (n=250), dem Vereinigten Königreich (n=250) und den USA (n=250) durchgeführt. Ziel der Studie war es, Faktoren KI-gestützter Recruiting-Prozesse zu verstehen und herauszufinden, wie verbreitet die Nutzung von KI-Tools unter Arbeitssuchenden ist. Die Teilnehmenden wurden danach ausgewählt, aktiv auf Stellensuche zu sein.