Alles zum Thema Scrum Master – von den Aufgaben zu den Qualitäten, die einen guten Scrum Master auszeichnen, zur Zertifizierung.

Das Wort SCRUM mit Symbolen aus dem Projektmanagement

Stell dir einmal Personen aus deinem Bekanntenkreis, die nicht mit IT oder Engineering zu tun haben die Frage, was ist ein Scrum Master? Du erhälst recht unterhaltsame Antworten. In meinem Bekanntenkreis reichten die Tipps von He-Man Bösewicht bis hin zu einer Kekssorte. Ein Bekannter mit guten Englischkenntnissen wusste, dass Scrum auf Deutsch Gedränge bedeutet. Er schlussfolgerte, der Scrum Master sei vielleicht der, der in Videos aus Japan die Menschen in die überfüllte U-Bahn drückt.

Diese Art von Antworten sind unterhaltsam und die Menschen, die sie geben, wissen, dass sie nicht wissen, was ein Scrum Master ist. Gefährlicher wird es, wenn Sie dieses kleine Experiment mit Leuten durchführen, die zwar wissen, dass Scrum eine Methode zum agilen Arbeiten ist, aber noch nicht wirklich verinnerlicht haben, wie anders agile Methoden im Vergleich zum klassischen Projektmanagement sind. Da wird der Scrum Master schnell zu einer Art Chef im Scrum Prozess, der anderen sagt, wie sie zu „scrummen“ haben. Noch unangenehmer wird es, wenn du mit Scrum arbeitest und dein Scrum Master glaubt das selbst. Oder wenn du als Scrum Master in ein Team einsteigen sollst und alle anderen (inklusive der Geschäftsführung) denken, du bist jetzt der Boss oder der Projektmanager.

(Gute) Scrum Master sind weder „Chef“ oder „Boss“ noch „Projektmanager“. Sie versuchen auch nicht, überfüllte U-Bahnen mit Menschen zu füllen oder He-Man aus Castle Grayskull zu vertreiben. Manchmal haben sie vielleicht Kekse dabei.

OK, aber was ist ein Scrum Master?

Bevor wir diese Frage wirklich beantworten, müssen wir in aller Kürze darauf eingehen, was Scrum eigentlich ist. Scrum ist eine Methode zum agilen Arbeiten, die in der Softwareentwicklung entstanden ist. Sie eignet sich besonders gut zur Entwicklung komplexer Lösungen und Produkte und kommt daher vor allem in den Bereichen IT und Engineering zur Anwendung. Mit Scrum entwickeln selbstorganisierte Teams in kleinen Schritten Produkte, von denen zu Beginn nicht immer klar ist, wie sie aussehen sollen. Scrum arbeitet mit flachen Hierarchien sowie inkrementell und iterativ, um sich an das Endergebnis heranzutasten. Eine genaue Erklärung von Scrum und agilem Arbeiten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber diese kurze Zusammenfassung sollte schon gezeigt haben, dass sich Scrum und klassisches Projektmanagement erheblich unterscheiden. Ein Beispiel: Scrum kennt keine Deadlines. An deren Stelle stehen sogenannte Sprints, in denen in einem festgelegten Zeitraum ein zuvor vereinbarter Teil des Endprodukts fertiggestellt wird. Sprints sind eine Art Miniprojekt im Projekt und zielen auf fertige, funktionsfähige und oft sogar markttaugliche Teillösungen.

Wenn das Thema neu für dich ist, lies bei Gelegenheit den deutschen Wikipedia Artikel zu Scrum, der tatsächlich ziemlich gut ist.

Die Überschrift hat versprochen, Antwort auf die Frage “was ist ein Scrum Master” zu geben. Ich weiß es immer noch nicht. Was denn jetzt? Was sind Scrum Master Aufgaben?

Scrum Master ist eine Rolle im Scrum Prozess. Für das Team sind Scrum Master Ansprechpartner, Mentor, Coach, Moderator, Konfliktberater und manchmal auch eine Art Therapeut. Außerdem „verteidigen“ sie das Team gegen äußere Einflüsse und sorgen dafür, dass sie während Sprints in Ruhe arbeiten können. Dabei arbeiten Scrum Master nicht selbst an der Entwicklung des Produkts oder der Lösung mit. Ihre Aufgabe ist es, den gesamten Scrum Prozess im Auge zu behalten und sicherzustellen, dass alle anderen so effektiv wie möglich arbeiten können.

Sagen wir du willst ein Softwareprodukt entwickeln und hast ein Budget für 5 Angestellte. Dann stellst du in diesem Modell nicht fünf Entwickler ein, sondern vier Entwickler und einen Scrum Master, der dafür sorgt, dass die anderen 4 den Scrum Prozess optimal umsetzen können. Das ist die Kernaufgabe der Rolle. Dafür beseitigt er (oder sie) Hindernisse, erkennt Optimierungspotentiale, schult Teammitglieder, vermittelt zwischen Product Owner, Stakeholdern und Team und sorgt im Allgemeinen dafür, dass das Team richtig „scrummen“ kann.

Hand zeigt auf Scrum und verbundene Symbole

Das Problem mit der Rolle des Scrum Masters ist, dass das alles etwas abstrakt klingt. Daher hier einige konkrete Beispiele:

Das Daily Scrum. Zur Scrum Methode gehört das Daily Scrum, ein kurzes 15 minütiges Meeting am Morgen, in dem kurz darüber geredet wird, wer heute was vorhat und ob es irgendwo Probleme gibt. Bilder wie dieses verdeutlichen die grundlegende Herausforderung mit diesem Konzept:

Das Daily Scrum ist ein essentieller Bestandteil der Scrum Methode und ist wirklich super hilfreich für das ganze Team. Wenn es kurz bleibt. Wenn es wirklich nur 15 Minuten dauert. Wenn Herr Maier und Herr Schmitt nicht wieder diskutieren, ob Python als Programmiersprache ernst genommen werden kann oder nicht. Gelingt es nicht, das Daily Scrum für einen schnellen morgendlichen Informationsaustausch zu nutzen, bei dem potentielle Probleme identifiziert werden, liegt es beim Scrum Master dies a) zu erkennen, b) zu thematisieren und c) eine Lösung zu finden. Bei hartnäckigen Fällen könnte er beispielsweise eine Handhupe zum Meeting bringen. Driftet das Meeting ab, wird gehupt und es ist klar, dass das Thema nicht ins Daily Scrum gehört – selbst wenn es vielleicht wichtig ist.

Der Kaffee ist leer. Donnerstagnachmittag mitten in einem Sprint, der zu scheitern droht. Der Kaffee ist leer. Der Scrum Master rennt los welchen holen und, falls das öfter passiert, redet mit den Verantwortlichen in der Geschäftsleitung, um klar zu machen, dass man Programmierer nicht ohne ausreichend Kaffee betreiben kann.

Streit. Zwei Teammitglieder kommen einfach nicht miteinander aus. Der Scrum Master kann hier als Ansprechpartner und Vermittler dienen und Lösungen vorschlagen (beispielsweise eine Aussprache oder Sitzplätze und Aufgaben neu verteilen).

Sprints scheitern. Es scheitern viel zu viele Sprints (Sprints werden bei Scrum nie verlängert. Entweder die Ziele werden erreicht oder nicht). Der Scrum Master sollte in der Lage sein, die Ursachen zu erkennen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Beispielsweise könnte das Team zu Sprintbeginn immer zu enthusiastisch und übermotiviert sein und sich unrealistische Ziele stecken. Dann interveniert der Scrum Master, wenn erneut extrem ambitionierte Sprintziele festgelegt werden. Oder das Team ist chronisch unterbesetzt und der Scrum Master argumentiert bei der Geschäftsleitung vehement für die Einstellung weiterer Mitarbeiter.

Was macht einen guten Scrum Master aus?

Der Scrum Master steht vor einer besonderen Herausforderung: Er erfüllt all seine Aufgaben, ohne direkte Weisungsbefugnis oder die Möglichkeit, Teammitglieder zu sanktionieren. Der Scrum Master führt das Team nicht im Sinne einer klassischen Führungskraft, sondern dient diesem. Man bezeichnet Scrum Master daher auch als „Servant-Leader“ oder als „dienende Führungskraft“. Gute Scrum Master müssen über die richtige Persönlichkeit verfügen, um damit klarzukommen. Leute, die mit der Ernennung zum Scrum Master auf einen Machttrip kommen und glauben, endlich mal anderen sagen zu können, wie es so zu laufen hat, sind völlig(!) ungeeignet für die Rolle.

Gute Scrum Master brauchen keine institutionelle Autorität, sondern genießen den Respekt der Teams, die sie unterstützen. Die Teammitglieder schätzen seinen Rat, seine Kompetenz und seine Erfahrung (bzw. ihre/n Rat/Kompetenz/Erfahrung) und wenden sich an ihn (oder sie), wenn sie auf Hürden stoßen oder Ideen haben.

Scrum Master sollten gute organisatorische Fähigkeiten haben und auch in undurchsichtigen Situationen die Ruhe bewahren (und ausstrahlen) können. Was auch immer im Projekt schief läuft, Scrum Master sind im Optimalfall die letzten Teammitglieder, die in Panik geraten.

Außerdem sollten Scrum Master viel Erfahrung mit Scrum haben. Je mehr desto besser. Scrum hat seinen ganz eigenen Stil und während es toll ist, sich inkrementell und iterativ an ein nur in Umrissen bekanntes Ziel heranzutasten, ist es gut, wenn irgendjemand im Team möglichst früh bemerkt, dass man in die falsche (oder gar keine) Richtung sprintet. Daher ist es gut, wenn der Scrum Master schon viele möglichst anspruchsvolle Scrum Projekte erlebt hat. Er sollt wissen, wie es sich anfühlt, wenn ein Scrum Projekt auf Erfolgskurs ist – und wie es sich anfühlt, wenn ein Projekt gerade dabei ist, in kleinen Schritten und wiederholt mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen.

Scrum Master sollten zudem gute Lehrer sein, da es bei ihnen liegt, Teammitglieder, die die Methode noch nicht gut kennen, in diese einzuweisen. Scrum Master sind für das Team Knowledge Center und Mentor in Sachen Scrum.

Und wie sieht es mit der Scrum Master Zertifizierung aus?

Wie du im Verlauf dieses Artikels sicherlich erkannt hast, ist es gar nicht so einfach, gute Scrum Master zu erkennen (und zu finden). Ein Mechanismus, der Unternehmen eine erste Idee geben soll, ob jemand geeignet ist, ist die Zertifizierung als Scrum Master. Es gibt gegenwärtig drei Zertifizierungsstellen:

Alle drei Stellen gehen etwas anders an das Thema heran, aber im Wesentlichen nehmen die angehenden Scrum Master an einem mehrtägigen Kurs teil und zeigen dann in einer Prüfung, was sie über Scrum wissen. Dieser Artikel vergleicht die drei Ansätze miteinander und gibt einen guten ersten Überblick. Eines gilt jedoch für alle Modelle: Die Scrum Master Zertifizierung sagt, dass jemand etwa 2.000 Euro zur Verfügung hatte und gut darin ist, Fragen zu Scrum zu beantworten. Das ist nicht unwichtig, macht aber noch nicht zu einem guten Scrum Master. Dafür spielen Persönlichkeit und praktische Erfahrung eine zu große Rolle.

Falls du selbst zum Master werden willst, kann die Scrum Master Zertifizierung sicher nicht schaden – und selbst Scrum Master mit Erfahrung lernen bei den Schulungen vermutlich noch etwas hinzu. Falls du Scrum Master einstellen willst, empfehlen wir, die Zertifizierung als einen Indikator zu nehmen, aber nicht zu viel Gewicht darauf zu legen. Es gibt gute Scrum Master mit und ohne Zertifizierung.