Die Aufgaben in den Unternehmen wandeln sich – und mit ihnen die Projektmanagement-Methoden. Globalisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und mobile Arbeit verändern die Arbeitswelt womöglich stärker als die industrielle Revolution. Die Folgen für die Projektlandschaft lassen sich in fünf Trends zusammenfassen.

Trend 1: Strategische Initiativen
Nach wie vor versanden viele Unternehmensstrategien im Tagesgeschäft. Die operative Umsetzung bleibt auf der Strecke, weil Umstände, Sachzwänge oder Unvermögen die Realisierung behindern. Das ist erstaunlich – denn noch nie war die Notwendigkeit so drängend, mit Wettbewerbern Schritt zu halten oder noch unbekannten Wettbewerbern zuvorzukommen. Um strategische Initiativen künftig effektiver zu gestalten, muss sich das Projektmanagement in vielen Unternehmen grundlegend verändern.
Typisch sind noch immer Jahresstrategieplanungen, die eher an gute Vorsätze zu Silvester erinnern: Die Protokolle der jährlichen Strategiemeetings lesen sich oftmals wie eine Aneinanderreihung guter Absichten. In langen Sitzungen wird vieles beschlossen, dann aber nur weniges umgesetzt. Was mit viel Elan auf den Weg gebracht wurde, fällt später veränderten Prioritäten und einer Kräfteverzettelung zum Opfer – und landet als Strategiepapier in der Schublade. Manche Führungskraft ist schon froh, wenn sie das laufende Geschäft bewältigt. Zusätzliche Projektarbeit versucht sie möglichst zu vermeiden.
Langsam wächst die Erkenntnis, sich ein solches Verhalten nicht mehr länger leisten zu können – schließlich ist eine erfolgreiche Strategieumsetzung das wohl wichtigste Projekt einer Unternehmensführung. Die große Herausforderung liegt dabei in den knappen Ressourcen: Arbeitszeit und Kompetenzen der Mitarbeiter sind bei der Umsetzung von Projekten längst zu einem limitierenden Faktor geworden. Daher kommt es entscheidend darauf an, die Prioritäten richtig zu setzen und sich auf die wirklich wichtigen Projekte zu konzentrieren. Eine Unternehmensführung, der das nicht gelingt, setzt die Existenz des Unternehmens aufs Spiel.
Hinzu muss die Bereitschaft kommen, den dornigen Weg einer soliden Strategieumsetzung zu gehen. Dazu zählen die bekannten Details eines stringenten Projektmanagements: Projektziele, Projektplan, Meilensteine, definierte Aufgabenpakete mit Terminen und Verantwortlichkeiten. Jedes Unternehmen sollte über eine Anzahl an Projektleitern verfügen, die in der Lage sind, strategische Projekte zu managen – und zwar so, dass eine Strategie am Ende auch Früchte trägt.
Trend 2: Das Ende der Planbarkeit
Mit der Digitalisierung gehen Beschleunigung und wachsende Komplexität einher – eine Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten sind global ausgerichtet und zunehmend vernetzt, während die Planbarkeit in den Unternehmen abnimmt. Es liegt auf der Hand: Das alles geht nicht spurlos am Projektmanagement vorüber.
Das klassische Projektmanagement stammt aus einer Zeit, in der man von der Planbarkeit eines Vorhabens ausging. Auch wenn viele Projekte groß und komplex waren und man damit oft auch Neuland betrat, war doch das Umfeld, in dem sich die Projekte und Organisationen bewegten, vergleichsweise stabil. Natürlich hat dieses klassische Projektmanagement nicht ausgedient. Sinnvollerweise kommt es weiterhin in Projekten zum Einsatz, bei denen die notwendige Planbarkeit gegeben ist – beispielsweise in der Bauindustrie und im Engineering.
In den meisten Unternehmen stellt der digitale Wandel jedoch neue Anforderungen an die Projektplanung. Es ist kaum noch möglich, konkrete langfristige Ziele festzulegen. Die Unternehmen bewegen sich auf einen unklaren Zielzustand hin und müssen adaptiv auf Veränderungen reagieren. Damit endet auch die Planbarkeit der Projekte: Ein Projektleiter muss oft „Pionierarbeit“ leisten, die sich per se nur schwer planen lässt. Projekte in Zeiten des digitalen Wandels verlangen ein schrittweises Vorgehen, bei dem die Beteiligten immer in Bewegung bleiben und flexibel reagieren. Ohne agile Methoden ist das nicht zu bewerkstelligen.
Trend 3: Digital Leadership
Mit dem Begriff Digital Leadership wird gerne „nur“ das Führen über Distanz via digitaler Kommunikationsmedien verbunden. Das ist anspruchsvoll genug, doch bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich: Projektleiter müssen sich in einer digital vernetzten Welt ganz neue Eigenschaften aneignen. Es geht für sie darum, mehr zu coachen als zu führen, mehr zu ermöglichen als zu bestimmen, mehr Prozesse zu steuern als Aufgaben zu kontrollieren.
Wie ein Projektleiter die Führung seines Projektteams konkret ausgestaltet, hängt von der Situation und der Art des Projekts ab – eine Blaupause gibt es nicht. Der Trend aber ist klar: Die Entwicklung geht hin zu dezentralen Strukturen mit agilen Teams, in denen Projektmitarbeiter eigenverantwortlich handeln. Der Projektleiter ermutigt seine Mitarbeiter, sich aktiv einzubringen, und schafft die Voraussetzungen, damit sich die „kollektive Intelligenz“ seines Teams bestmöglich entfaltet.
Aufgabe des Projektleiters wird es sein, das Team zusammenzuhalten und einen (virtuellen) Raum zu schaffen, in dem die Mitarbeiter ihre Arbeit selbst gestalten und ihr Potenzial frei entfalten können. Die gesamte Kommunikation läuft über verschiedenste Kanäle – analog wie digital – beim Projektleiter zusammen. Damit zeichnet sich ab, dass ein Projekt künftig in hohem Maße mit Hilfe von Tools gesteuert wird.
Das Wissen um Prozesse und Technik reicht nicht aus. Wer als Projektleiter künftig noch erfolgreich sein will, braucht sehr gute Fähigkeiten in Kommunikation, Führung und Moderation. Das Arbeiten in Netzwerken verlangt eine andere Art der Führung und Zusammenarbeit. Stichworte dazu sind: agile Teams, Selbstorganisation, virtuelle und vernetzte Kollaboration – und ein Führungsstil, der mehr auf Coaching basiert als auf Kontrolle und Vorgaben.
Trend 4: Neue Projektmanagement-Methoden
In immer kürzerer Folge jagt eine technische Neuerungen die nächste, disruptive Innovationen stellen ganze Geschäftsmodelle in Frage. Um auf alle diese Veränderungen adäquat reagieren zu können, gilt eine agile Organisation als überlebenswichtig. An dieser Stelle erfolgt jedoch häufig ein Trugschluss: Eine agile Organisation entsteht nicht einfach dadurch, dass Projekte nun nach Scrum oder nach einem anderen agilen Framework durchgeführt werden. Vielmehr muss die Agilität über die Projektorganisation hinausreichen. Auch das Management sowie Prozesse und Strukturen benötigen einen „agilen Mindset“.
Eine zentrale Rolle spielt der Projektleiter, der durch sein Handeln und Verhalten in den Projekten sowohl hemmend als auch fördernd auf die Agilität im Unternehmen wirken kann. Seine Aufgabe ist es, die Methoden und Werkzeuge des klassischen Projektmanagements zu überdenken und neue Techniken in seine Arbeit einzubeziehen. Konzepte wie zum Beispiel „Task Boards“, „Daily Standup-Meetings“ und „User Stories“ werden mittlerweile auch in Projekten außerhalb der Software-Entwicklung eingesetzt und erlauben es, mehr Agilität im Projektalltag zu erreichen.
Der bloße Einsatz agiler Projektmanagement-Methoden greift jedoch zu kurz. Ebenso wichtig sind Techniken, die einem Unternehmen helfen, schneller und kundenorientierter zu agieren. Design Thinking, Design Sprint, Lean Start Up, Scrum und Business Model Canvas gehören künftig mindestens ebenso zum kleinen Einmaleins der Projektleitung wie Strukturpläne, Gantt-Diagramme oder Risiko-Logs. Entscheidend für den Erfolg ist am Ende aber vor allem eines: die Haltung, mit der die Projektleiter und ihre Teams an Themen herangehen – also letztlich die Projekt- und Unternehmenskultur.
Trend 5: Eine Flut kleiner Projekte
Die Zusammenarbeit in Projektform hat sich bewährt, wenn es darum geht, sich schnell und flexibel auf eine sich ändernde Umwelt einzustellen. Projektarbeit ist deshalb in vielen Unternehmen zum gelebten Alltag geworden. Selbst in kleinen und mittleren Unternehmen hat sie sich in den letzten Jahren als Arbeitsform etabliert. In nahezu allen Fachbereichen nimmt der Anteil prozessorientierter Arbeit zugunsten von Projektarbeit ab.
Die Folge: In den Unternehmen entsteht eine Vielzahl an kleineren und mittleren Projekten. Immer mehr Mitarbeiter sind in Projekte involviert. Ob im Personal, in der Buchhaltung oder im Marketing – heute muss jeder Mitarbeiter in der Lage sein, kleinere Projekte durchzuführen.
Das Management kleiner Projekte bringt ganz eigene Probleme mit sich. Die gängigen Projektmanagement-Methoden erweisen sich als überdimensioniert – Aufwand und Nutzen stehen hier oft in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander. Diese Techniken wurden für Großprojekte wie Autobahnen oder milliardenschwere Kraftwerke entwickelt, nicht jedoch für kleinere und mittlere Projekte. Ihr Einsatz bei einem kleinen Projekt gleicht dem Ansinnen, eine Molkerei zu bauen, um ein Glas Milch zu bekommen. Anstelle der klassischen Tools braucht es einfache Werkzeuge, mit denen sich speziell kleine und mittelgroße Projekte professionell managen lassen.
Eine weitere Herausforderung liegt darin, angesichts der Vielzahl von Projekten den Überblick zu behalten. Der Aufwand, die Projekte zu koordinieren und übergreifend zu steuern, wird häufig unterschätzt. In vielen Unternehmen sind weder die Organisation noch die Führungskräfte auf die Flut der kleinen Projekte eingestellt.
Über den Autor
Mario Neumann hat 15 Jahre in einem internationalen IT-Konzern als Experte für Projektmanagement gearbeitet. Seit 2008 entwickelte er als selbständiger Trainer und Berater sein Konzept für „Situatives Projektmanagement“, mit dem er Projektleiter für alle Phasen ihrer Projekte fit macht.