Jedes Jahr kommt wieder die Frage auf, welche Recruiting-Trends das Jahr prägen werden. Dabei wird gerne vergessen, sich der Frage zu widmen, was man überhaupt mit dem Begriff „Trend“ genau meint. Je nachdem, was ich darunter verstehe, fällt meine Aussage sehr unterschiedlich aus. Denke ich bei Trends in erster Linie an Themen, die brandneu auf den Markt kommen und wozu es keine bisherigen Vergleiche gibt? Oder verstehe ich unter Trends diejenigen Themen, die eine kritische Masse an innovativen Unternehmen umsetzt? Oder ist etwas erst dann wirklich ein Trend, wenn die Mehrheit der Unternehmen es nutzt? Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch. Es gilt stets nur, dass man den Bezug klar machen sollte.
Im Folgenden werde ich mich auf die zweite Definition von Trends fokussieren. Ich möchte Ihnen meine Analyse davon näherbringen, welche Themen im letzten Jahr bereits von einigen wenigen Unternehmen erfolgreich umgesetzt wurden, wodurch sehr gute Ergebnisse mit Vorbildcharakter erzielt wurden. Denn diese Themen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig auch von weiteren innovativen Unternehmen im Recruiting umgesetzt. Die drei Themen, die ich vorstellen werde, haben die Gemeinsamkeit, dass sie an keine speziellen Technologien gebunden sind, auch wenn sie mit spezifischen Technologien umgesetzt wurden.
Recruiting Analytics
Eine gute Recruiting-Analytics-Lösung bildet die Schnittstelle zwischen Bewerbermanagement-Software (beispielsweise Taleo, SuccessFactors o. ä.), Web-Analytics-Software (wie Google Analytics, Piwik Pro oder etracker) und Recruitingkanälen (beispielsweise Jobbörsen, Social-Media-Posts, Newsletter) sowie weiteren Datenquellen (wie Surveys, CV-Parsing-Lösungen o. ä.). Wenn man diese verschiedenen Tools und Datenquellen miteinander verbindet, hat man die ideale Grundlage zur Steuerung der eigenen Recruitingkanäle. Relativ einfach kann man sowohl die Effektivität (Qualität der Bewerbungen) und Effizienz (Kosten pro Bewerbung) pro Kanal ermitteln und dann transparent verschiedene Kanäle miteinander vergleichen. So kann man relativ schnell erkennen, dass für die eine Art von Jobs eine Social-Media-Kampagne am erfolgversprechendsten ist, für eine andere Art von Jobs vielleicht eine Spezialjobbörse und für wieder eine andere Art möglicherweise eine Jobsuchmaschine. Grundsätzlich gilt: Je mehr Daten ich habe, desto besser sind die potenziellen Rückschlüsse, die ich daraus ziehen kann.
Recruiting Automation
Aufbauend auf den Informationen, die man beispielsweise durch Recruiting Analytics oder Web Analytics-Software erhält, kann man automatisierte Routinen einrichten, die die Steuerung der Recruitingkanäle optimieren. Wenn ein Job beispielsweise besonders wenig Bewerbungen erhält oder eine Stellenanzeige besonders wenig Klicks bekommt, könnte man jeweils einen Trigger setzen, um zusätzliches Budget für Performance-Maßnahmen (beispielsweise Google AdWords oder Jobbörsen mit Cost-per-Click-Modell, wie beispielsweise Indeed) zu investieren. Man kombiniert also die permanente Beobachtung von einzelnen Key Perfomance Indicators (KPIs) mit Wenn-Dann-Triggern, die automatisch dazu führen, dass die KPIs besser werden. Selbstprogrammiert oder durch gängige Automatisierungssoftware lassen sich solche einfachen Wenn-Dann-Trigger erstellen, durch die man im Vergleich zur manuellen Beobachtung und Optimierung viel Zeit sparen kann. Als Grundlage dafür muss man jedoch erst einmal seine eigenen Prozess-Kennzahlen genau analysieren. Wie viele Bewerbungen benötige ich durchschnittlich für eine Einstellung für eine bestimmte Art von Job? Wie viele Klicks werden durchschnittlich für eine Bewerbung auf diese Art von Job benötigt? Mithilfe dieser Daten kann ich definieren, dass nach einer gewissen Zeit und einer Unterschreitung dieser Schwellenwerte (Anzahl Bewerbungen beziehungsweise Anzahl Klicks) automatisch Maßnahmen eingeleitet werden, welche die Anzahl der Klicks und damit idealerweise die Anzahl der Bewerbungen erhöhen.
Voice-Recruiting
Siri, Alexa, Google Voice und andere digitale Sprachassistenten sind längst fester Bestandteil vieler Wohnzimmer und Connected-Home-Ansätze. Der Markt wächst, und auch für die kommenden Jahre wird hier ein hohes Wachstum prognostiziert – sowohl aus Sicht der Hardwarehersteller wie Apple, Amazon oder Google als auch aus Sicht der Dienstleister, auf die per Sprachassistent zugegriffen wird. Aus E-Commerce wird Voice-Commerce, der genauso individuellen Mechanismen unterliegt wie der Offline-Commerce, also der Einzelhandel. Ebenso wird aus E-Recruiting Voice-Recruiting, bei dem dann ein Großteil der Interaktion zwischen Unternehmen und Bewerber über die Stimme abgebildet wird. So könnte zukünftig der Bewerbungsprozess über einen Sprachbefehl gestartet werden und anstelle eines Anschreibens eine Sprachnachricht abgeschickt werden. Eine große deutsche Versicherung hat eigens eine Applikation für einen dieser Sprachassistenten erstellt, mit der man ein Interview simulieren kann und durch die man Fragen über den Bewerbungsprozess stellen kann. Technisch ist sowas gar nicht all zu kompliziert und die Anzahl von spannenden Einsatzmöglichkeiten ist noch nicht absehbar. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sprachkommunikation ist sehr intuitiv, leicht umsetzbar und durch die überschaubare Anzahl an populären Sprachassistenten kann man sich auf einen Anbieter fokussieren und deckt schon einmal einen großen Teil des Marktes ab. Insbesondere bei jüngeren und technikaffinen Zielgruppen kann sich der Einsatz von Voice-Recruiting gleichzeitig sehr positiv auf die Wahrnehmung der Arbeitgeberattraktivität auswirken.
Fazit: Recruiting-Trends 2019
Woran kann ich erkennen, ob diese Recruiting-Trends etwas für mein Unternehmen sind? Das hängt sehr stark vom individuellen Bedarf ab. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass eine höhere Anzahl an zu besetzenden Positionen und ein höheres Recruiting-Budget immer auch mehr Spielraum dafür bieten, den einen oder anderen sinnvollen Trend zu etablieren. Die meisten Trends bedürfen einer integralen Investition und rentieren sich erst mit einer gewissen Anzahl an Jobs oder Bewerbern. Eine solide Recruiting-Analytics-Lösung wird sich relativ schnell amortisieren, wenn man mehrere hunderttausend Euro in Recruitingkanäle investiert. Hat man jedoch nur wenige tausend Euro Budget für Recruitingkanäle zur Verfügung, wird sich eine solche Lösung definitiv nicht lohnen. Ähnlich sieht es bei einer Recruiting Automation-Lösung aus. Beim Thema Voice-Recruiting geht es hingegen je nach Einsatzszenario mehr um das Thema Candidate Experience, also darum, was man bereit ist, für eine gute Conversion und zufriedene Bewerber auszugeben.
Muss ich denn wirklich jedem Trend hinterherlaufen? Nein, auf keinen Fall. Es gibt kaum Trends, die für alle Arbeitgeber relevant sind, und das sieht bei den Trends im Recruiting nicht anders aus. Nichtsdestotrotz sollte man sich eingehend mit diesen Trends beschäftigen, damit man rechtzeitig absehen kann, ob ein Trend relevant ist oder nicht. Früh genug einen passenden Trend zu identifizieren kann enorme Vorteile mit sich bringen, denn anfangs profitiert man in der Regel davon, dass nur wenige diesen Trend nutzen. Wenn man einen Trend zu spät erkennt, muss man mit Nachteilen leben und kann diese nur mit Verlust oder hohem Aufwand wieder einholen. Regelmäßige Trendberichte von Experten sind ein gutes Mittel, um hier auf einem aktuellen Stand zu bleiben.