Recruiting hat sich verändert. Gute Kandidaten müssen sich nicht mehr bewerben, sondern können aussuchen, bei welchem Unternehmen sie starten. Unternehmen sind die Bewerber und müssen sich anstrengen, um die Talente von heute und morgen für sich zu gewinnen.
Unternehmen sollten heutzutage natürlich auch wissen, dass sie keine Chance im War for Talents haben, wenn Sie sich nicht stärker auf Bewerber und deren Bedürfnisse einstellen. Candidate Experience nennt sich vereinfacht ausgedrückt die Ausrichtung aller Recruiting-Aktivitäten, mit dem Ziel Bewerbern eine in Summe positive Wahrnehmung zu vermitteln. Dabei sind auch die Erlebnisse vor als auch nach dem eigentlichen Recruiting-Prozess gemeint. Um hier als Arbeitgeber zu glänzen, bedarf es einer aktuellen Einsicht darüber, wie sich der Weg eines durchschnittlichen Bewerbers – die sogenannte Candidate Journey – geändert hat.
Candidate Journey früher
Bewerbungsprozesse waren analog, langsam und die Anzahl an Möglichkeiten, um einen passenden Job zu finden waren sehr begrenzt. In der Regel waren Zeitungsanzeigen das Mittel der Wahl und neben einem Aushang am schwarzen Brett oder einer Mitarbeiterempfehlung eine der wenigen Chancen. Bewerber wussten, dass Arbeitgeber deutlich am längeren Hebel sitzen und waren in der Regel auch länger bei ein und demselben Arbeitgeber tätig, bevor es zu einem Wechsel kam. Eine typische Candidate Journey sah früher womöglich so aus:
Beispiel
Stefan Mustermann sitzt gemütlich in seinem Wohnzimmer und schaut am Wochenende in seine Lokalzeitung. Darin findet er ein interessantes Stelleninserat der Muster GmbH. Die liest sich interessant/vielversprechend? – also schwingt sich Stefan an seine Schreibmaschine und formuliert ein ausführliches Motivationsschreiben. Man muss schließlich zeigen, was man kann. Zum Glück hat Stefan noch ein Foto, welches er für seine Bewerbung nutzen kann. Also muss er nur noch eine Mappe kaufen und dann die Unterlagen eintüten und in die Post geben. Drei Wochen später bekommt Stefan dann eine schriftliche Einladung zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch.
Candidate Journey heute
Bewerbungsprozesse sind digital und schnell und die Möglichkeit der Jobsuche hat sich fundamental verändert und kann sehr diffus sein. Bewerber bewerben sich nicht mehr bei Arbeitgebern, sondern vor allem Arbeitgeber bei Bewerbern. Bewerber sind so selbstbewusst, wie nie zuvor, was sich bspw. auch in kürzeren Jobwechsel-Intervallen niederschlägt. Eine typische Candidate Journey gibt es kaum noch, da es tausende Kanäle gibt, wo Kandidaten Stellen finden oder über Stellen informiert werden oder direkt angesprochen werden. Beispielhaft kann eine Candidate Journey heutzutage jedoch so aussehen:
Beispiel
Stefanie Musterfrau sitzt gemütlich im Flixbus nach Berlin und hat beim Stöbern auf Instagram eine spannende Anzeige gesehen/entdeckt, bei der es um Jobs von der Muster AG ging. Eigentlich ist Stefanie überhaupt nicht auf der Suche nach einem neuen Job, aber Anschauen schadet ja nicht. Also schaut sie sich auch noch kurz die Website an und die Muster AG klingt tatsächlich interessant. Naja, dann bewirbt sie sich schnell – sie hat schließlich alle relevanten Unterlagen in der Cloud immer griffbereit. Zum Glück will die Muster AG nicht so ein nerviges Anschreiben haben – wer will das schon noch? Kurz danach bekommt Stefanie eine Eingangsbestätigung und danach eine Einladung zum Online-Assessment.
Wenn man sich erst einmal intensiver mit dem Thema beschäftigt, dann merkt man, dass es bei jedem Unternehmen sehr viele Angriffspunkte gibt, wie man die Candidate Journey verbessern kann und muss/sollte. Die Frage, die sich zu Recht viele Unternehmen stellen: Mit welchen Punkten soll ich als erstes anfangen?
Hier sind meine Empfehlungen aus mehr als 11 Jahren Recruitingerfahrung und einer Vielzahl von Candidate Experience Projekten im eigenen Unternehmen und als Berater.
Die Candidate Experience verbessern
1. Messen:
Als/Zum Start/ Zu Beginn ist es erst einmal wichtig zu wissen, wo genau den Bewerbern der „Schuh drückt“. Also sollte man dazu/ um das herauszufinden, in einen Dienstleister oder eine Software zur Candidate Experience Messung investieren? Entweder schauen Sie nach einem gängigen Umfrage-Tool oder aber nach einem speziellen Experten.
2. Einfachheit:
Eine Dimension, bei der es in der Regel immer Optimierungsbedarf gibt, ist die Einfachheit. Einfachheit in Prozessen und in der Benutzerfreundlichkeit, insbesondere im Bereich von Bewerbermanagementsystemen. Denn, wie sowohl aktuelle Studien, als auch unsere eigenen Zahlen belegen, verlieren Unternehmen bis zu 50 % von Bewerbungsinteressierten, auf Grund der zu komplizierten Bewerbermanagementsysteme.
3. Geschwindigkeit:
Neben Einfachheit ist das Thema Geschwindigkeit immer wichtig. Häufig gewinnt nicht der attraktivste Arbeitgeber den Kampf um die Talente von morgen, sondern der schnellere Arbeitgeber. Wenn ein Kandidat den Entschluss gefällt hat, sein aktuelles Unternehmen zu verlassen, dann wird er nicht ewig warten, sondern sich im Zweifel eher für das schnellere Unternehmen entscheiden.
Bei allen Maßnahmen ist es wichtig, dass man sich vergegenwärtigt, dass Candidate Experience etwas individuelles ist. Jeder Bewerber hat eine andere Wahrnehmung davon, was er gut findet und was nicht. So ist ein stressiges Interview mit bewusst provokanten Fragen für einen potenziellen Azubi möglicherweise einschüchternd und für einen Sales-Experten mit 10 Jahren Erfahrung eher positiv fordernd.