Die Risiken liegen auf dem Tisch, doch nun passiert: nichts! Die eigentliche Gefahr beim Umgang mit Risiken liegt in der fehlenden Bereitschaft, unangenehmen Tatsachen in die Augen zu sehen – und zwar auch und gerade dann, wenn man noch keine Lösung für sie parat hat.
Dirk D. kommt ins Schwitzen, wenn er an die dünne Personaldecke seines IT-Projekts denkt. Da das Unternehmen nur über wenige Knowhow-Träger im Bereich der IT-Security verfügt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein Personalausfall Auswirkungen auf sein Projekt haben wird. Je nach Zeitpunkt kann dies einen sehr hohen Schaden für das Projekt bedeuten. Das Risiko eines Personalausfalls für das Teilprojekt “IT-Security” schätzt er deshalb als sehr hoch ein. Und noch immer hat er keine Idee, wie er mit diesem Problem umgehen soll.
Projekte sind aufgrund ihrer Neuheit und Komplexität in ihrem Verlauf schwer einschätzbar und somit großen Unsicherheiten unterworfen, die den Projektverlauf stören können und damit ein Risiko für das Projekt darstellen. Dirk G. weiß: Nicht nur IT-Projekte unterliegen einem gewissen Risiko – das steht außer Zweifel. Dirk G. hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu Projektbeginn alle möglichen Schwierigkeiten und Gefahren zu identifizieren, die während des Projektverlaufs auftreten können.
Jedes Projekt birgt seine ganz eigenen Risiken. Wer diese nicht kennt, der läuft Gefahr, dass sein Projekt scheitert. Doch nicht alle Risiken wirken sich gleichermaßen negativ auf das Projekt aus, und Projektleiter sollten sich schließlich auf die wirklich wichtigen Themen konzentrieren.
Risiken auflisten allein reicht nicht
Wir haben die Risiken aufgelistet und konkretisiert – ein erster wichtiger Schritt. Nun sollten wir gleich zum zweiten Schritt übergehen: die Risiken bewerten. Nicht alle Risiken wirken sich gleichermaßen negativ auf das Projekt aus. Ziel der Risikobewertung ist, die wirklich bedrohlichen Risiken zu identifizieren, um sich dann auf diese konzentrieren zu können.
Wenn Sie darüber nachdenken, welche Risiken Ihrem Projekt gefährlich werden können, interessieren nur zwei Aspekte: die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Tragweite. Jedes Risiko tritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ein – und richtet einen bestimmten Schaden an. Die Tragweite bezieht sich auf das Ausmaß dieses Schadens. Ein Risiko lässt sich anhand von zwei Leitfragen bewerten:
- Wahrscheinlichkeit: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Risikofall eintritt?
- Schadensausmaß: Welcher Schaden wird dadurch verursacht?
Hilfestellung bei der Risikobewertung
Ein Risiko ist nur dann ein Risiko, wenn es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintritt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit wird in Prozent angegeben:
- 0 % – 10 % — eher unwahrscheinlich
- 11 % – 30 % — wenig wahrscheinlich
- 31 % – 60 % — ziemlich wahrscheinlich
- 61 % – 80 % — sehr wahrscheinlich
- 81 % – 100 % — ziemlich sicher
Manchmal genügt es, das Schadensausmaß anhand von fünf Stufen zu klassifizieren: sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch. Bewährt hat es sich, die Risiken anhand einer zehnstufigen Skala in die Schadensklassen 0 bis 10 einzuordnen.
- 0 – 1 — vernachlässigbar
- 2 – 3 — spürbar
- 4 – 5 — verkraftbar
- 6 – 7 — problematisch
- 8 – 9 — gefährlich
- 10 — katastrophal
Ein in Klasse 10 eingestufter maximaler Schaden wird unter Projektleitern auch gerne „Super-GAU “ (Größter Anzunehmender Unfall) oder „Show-Stopper “ genannt. Es handelt sich um Ereignisse, die zum Abbruch des Projekts führen.
Grafische Darstellung der Risiken
Zugegeben, die Zahlen machen die Sache nicht viel übersichtlicher. Das ändert sich schlagartig, wenn wir die Daten grafisch in Form eines Risikoportfolios aufbereiten. Hierzu übertragen wir die Werte aus der Tabelle in ein Koordinatenkreuz mit den Achsen Schadensausmaß und Wahrscheinlichkeit (siehe Abbildung oben). Auf einen Blick erkennen wir nun die wirklich gefährlichen Risiken:
- Extreme Risiken: Extreme Risiken sind sehr wahrscheinlich und verursachen im Falle ihres Eintretens einen hohen Schaden. Existiert ein solches Risiko, stellt sich die Frage, ob man das Projekt überhaupt in Angriff nimmt. Der Projektleiter sollte dies mit dem Auftraggeber klären.
- Große Risiken: Große Risiken verursachen zwar einen großen Schaden, sind aber nicht sehr wahrscheinlich. Meist lohnen sich vorbeugende Maßnahmen nicht – doch sollte ein Notfallplan existieren, um im Falle eines Falles den Schaden zu begrenzen.
- Mittlere Risiken: Mittlere Risiken verursachen zwar keinen großen Schaden, ihr Eintritt ist jedoch wahrscheinlich. Der Projektleiter muss mit ihnen rechnen. Deshalb sollte er sich mit ihnen beschäftigen und möglichst auch präventive Maßnahmen ergreifen.
- Kleine Risiken: Bei kleinen Risiken sind Schaden und Eintrittswahrscheinlichkeit sehr gering. Der Projektleiter kann sie vernachlässigen. Sollten sie dann doch eintreten, kann er sich immer noch um sie kümmern.
Survival-Tipps
- Sie haben verschiedene Risiken gesammelt? Gut! Dann können wir zum zweiten Schritt übergehen. Nun geht es darum, die Risiken zu bewerten.
- Denken Sie daran: Da sich Projektrisiken nicht komplett vermeiden lassen, müssen Sie die wichtigsten Risiken wenigstens in den Griff bekommen.
- Prüfen Sie, wie wahrscheinlich es ist, dass die von Ihnen genannten Risiken eintreten, und bewerten Sie, wie groß der Schaden für das Projekt wäre.
- Grundsätzlich gilt: Ein Risiko ist umso gefährlicher, je wahrscheinlicher es eintritt und je größer der entstehende Schaden ist.
- Machen Sie sich ein Bild der Lage und bereiten Sie die Risiken grafisch auf. Beschriften Sie die Achsen mit der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Tragweite der Risiken.
- Führen Sie ein Risiko-Logbuch. So behalten Sie während des Projektverlaufs die Risiken im Auge und können rechtzeitig reagieren, wenn ein Risikofall eintritt.
Hinweis
Risikomanagement-Tools helfen Unternehmen, Projektrisiken zu erkennen und Verluste zu minimieren. Den vollständigen „Risiko-Check“ mit zahlreichen Beispielen, Checklisten und Hinweisen können Sie nachlesen in „Abenteuer Projekte – Einfache Werkzeuge für kleine und mittlere Projekte“ – erschienen im Campus Verlag.