Moderne Zeiten erfordern innovative Strategien. Auch in Sachen Vergütung. Die Initiatoren des New Pay-Konzepts verraten, warum New Pay wichtig für den Mittelstand ist und welche Vorteile und Herausforderungen es birgt sowie ihre top Tipps für die erfolgreiche Umsetzung von New Pay im Unternehmen.

In diesem Artikel
- Woher kam die Idee für New Pay?
- Welche Gehaltsmodelle gibt es und was ist das Neue an New Pay?
- Warum New Pay? Gründe für Unternehmen, New Pay einzuführen
- Erfolgreiche Implementierung von New Pay im Unternehmen: Die top Tipps der Experten
- Will der Mittelstand New Pay?
- New Pay eignet sich für jede Art von Unternehmen
- Vorteile und Herausforderungen von New Pay
Die Entlohnung von Mitarbeitern ist ein Thema, über das nur ungern offen gesprochen wird. In Zeiten von Fachkräftemangel, demographischem Wandel und insgesamt einem beobachtbaren Wandel hin zu einem Arbeitnehmermarkt sind jedoch insbesondere KMU dazu angehalten, innovativ zu werden und Methoden zu finden, um Talente anzuziehen und die Mitarbeiterbindung zu steigern. Dazu gehört auch die Kompensation von Angestellten. Die Änderung der Arbeitswelt, die etwa mit dem Begriff „New Work” zusammengefasst werden kann, zieht auch neue Erwartungen von Mitarbeitern an ihre Entlohnung nach sich und damit einen Bedarf an neuen, modernen Vergütungsmodellen.
Drei Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen haben auf der Suche nach einem alternativen Vergütungssystem für die moderne Arbeitswelt gemeinsam ein neues Konzept unter dem geschützten Begriff „New Pay” entwickelt. Wir haben mit ihnen gesprochen und spannende Einblicke in diese neue Form der Entlohnung erhalten:
- Stefanie Hornung: Freie Journalistin und Mitbegründerin des New Pay Collectives
- Nadine Nobile: Geschäftsführerin der Unternehmensberatung CO:X und Mitbegründerin des New Pay Collectives
- Sven Franke: Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung CO:X und Mitbegründer des New Pay Collectives
Woher kam die Idee für New Pay?
Angefangen hat alles vor fünf Jahren am Küchentisch von Stefanie Hornung. Ursprünglich ging es ihr, Nadine Nobile und Sven Franke um die New-Work-Szene und um die Frage, warum New Work in Unternehmen - ob groß oder klein - nicht so richtig vorankommt.
Bei ihrer Recherche, warum New Work in deutschen Firmen scheinbar nicht recht in Schwung kommen will, landeten die drei Experten schnell beim Tabuthema Vergütung und bei veralteten Entlohnungsmodellen, die sich seit Jahrzehnten kaum verändert haben.

So entstand der Begriff „New Pay”. Er bezeichnet einen alternativen, individualisierten Ansatz für die Entwicklung eines neuen Vergütungssystems, unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte, die in klassischen Entlohnungsmodellen eine eher geringe Rolle spielen. Dazu gehören unter anderem die ganzheitlichen Wechselwirkungen im Unternehmen sowie die Prinzipien Transparenz, Partizipation und Fairness.
Franke fügt zustimmend hinzu: „New Work hat immer das Thema Vergütung ausgeklammert. Von New Work haben wir gelernt, dass Organisation, Struktur und Kultur zusammenhängen. Wir bringen die Vergütung als neuen Aspekt ein, weil wir davon überzeugt sind, dass New Work ohne das Thema Vergütung nicht funktioniert.”
Welche Gehaltsmodelle gibt es und was ist das Neue an New Pay?
Bei New Pay handelt es sich nicht um eine Blaupause oder ein vorgefertigtes Modell, das Unternehmen einfach übernehmen und auf ihren Betrieb anwenden können. Stattdessen sollte jedes Unternehmen bestehende Strukturen analysieren, um herauszufinden, wie der nächste Schritt zu mehr Partizipation, zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit aussehen kann.
Am Ende des Tages geht es natürlich immer darum, Gehälter zu zahlen und Mitarbeiter adäquat zu vergüten, aber der Weg dorthin soll mit New Pay ein anderer sein als der von traditionellen Entlohnungsmodellen. New Pay hat den Anspruch, starre und oft einseitige Gehaltsmodelle abzulösen und einen ganzheitlichen Ansatz anzubieten. Darin sollen die Perspektiven unterschiedlicher Stakeholder, das Unternehmen in seiner Gesamtheit und auch nicht-monetäre Vergütungsaspekte berücksichtigt werden. Oft geht es den Angestellten nämlich überhaupt nicht um das Gehalt, sondern um ganz andere Faktoren der Vergütung ihrer Arbeit, wie etwa die Arbeitsbedingungen oder Anerkennung, die mit einer Gehaltserhöhung nicht aufgefangen werden können. Dazu können sich Unternehmen zu Anfang ihrer New Pay-Reise Fragen stellen wie „Was ist uns was wert, und wieviel”, „Was sind die Unterschiede, die für uns einen Unterschied machen, und die sich in der Vergütung widerspiegeln sollen?”, „Erhalten Mitarbeiter neben der monetären Entlohnung positive Resonanz wie zum Beispiel Wertschätzung für ihren Wertbeitrag?”

Das Konzept von New Pay richtet sich insbesondere an diesen sieben Dimensionen aus, welche zusammen den oben erwähnten ganzheitlichen Ansatz darstellen:
- Partizipation: Mitarbeiter sind an der Gestaltung des Vergütungssystems beteiligt
- Transparenz: Transparente Prozesse oder Gehälter (transparent im Sinne einer Nachvollziehbarkeit)
- „Wir”-Denken: Fokus auf Team- und Gesamtleistung (welche Art der Vergütung unterstützt das Team-Denken im Gegensatz zur Vergütung der individuellen Eigenleistung eines klassischen Vergütungsmodells?)
- Selbstverantwortung: Mitbestimmung bei Leistungsbewertung und Entlohnung
- Flexibilität: Beachtung individueller Bedürfnisse
- Permanent Beta: Ein sich kontinuierlich weiterentwickelndes Vergütungssystem
- Fairness: Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit
Die Fairness ist dabei die wichtigste Dimension, um die alle anderen kreisen, denn die übrigen Prinzipien bleiben wirkungslos, wenn der Mitarbeiter sich nicht fair behandelt fühlt.
Im starken Kontrast zum New Pay-Konzept stehen klassische Gehaltsmodelle, die auf Führungsebene entwickelt und nach dem Top-Down-Ansatz im Unternehmen implementiert werden. Hauptsächlich wird zwischen den drei Vergütungssystemen leistungsbezogene (quantitative und qualitative Leistung des Arbeitnehmers), soziale (Faktoren wie Alter, Familienstand und Zahl der Kinder) und erfolgsabhängige Vergütung (Erfolg des gesamten Unternehmens und nicht des Einzelnen) unterschieden.
Diese traditionellen Modelle können den Experten zufolge häufig als undurchsichtig und als Folge dessen als unfair wahrgenommen werden. Das kann zum einen daran liegen, dass die Mitarbeiter nicht nachvollziehen können, unter welchen Voraussetzungen ein bestehendes System entworfen wurde. Zum anderen kann die unzureichende Gelegenheit, an der Gestaltung des Systems mitzuwirken, ein Grund für diese Wahrnehmung sein.
Bedeutet dies, das Modell der leistungsbezogenen Vergütung hat ausgesorgt? Überhaupt nicht, sagen die Experten.
Bezahlung nach Leistung: Ein Relikt aus der Vergangenheit?
Ursprünglich kommt die leistungsbezogene Vergütung aus dem Akkordlohn. Dort wurde das Gehalt nicht nach der aufgewendeten Zeit bemessen, sondern nach dem erzielten Arbeitsergebnis. Dies bezieht sich hauptsächlich auf klassische Produktionsjobs, in denen Güter hergestellt werden. Da die Zahl der gefertigten Teile für diese Art der Beschäftigung den Ausschlag gibt, ist es sehr einfach, die erbrachte Leistung nachzuvollziehen. Allerdings gibt es immer weniger Stellen in der Fertigung, was ein Umdenken in der Definition dessen erforderlich macht, was als Leistung gilt.
Dazu führt Franke aus: „Wir haben nichts gegen eine leistungsgerechte Vergütung. Aber die Frage ist: Was ist Leistung? 80 % unserer Kunden können das nicht definieren. Für die verbleibenden 20 % besteht die Herausforderung wiederum darin, geeignete Kriterien für die Messung und Bewertung von Leistung zu definieren.”
Den drei Begründern des oben skizzierten New Pay-Ansatzes zufolge ist die leistungsgerechte Vergütung zwar nicht obsolet geworden, aber es bedarf einer neuen Grundlage dafür, wie Leistung definiert und gemessen wird. Dies ginge nur mit sauberen Kriterien und mit einem stärkeren Fokus auf die Team- anstatt der Einzelleistung.
Warum New Pay? Gründe für Unternehmen, New Pay einzuführen
Die Deutschen gelten bekanntlich als risikoscheu und zögernd im Handeln. Dafür gibt es im anglophonen Sprachraum sogar einen eigenen Begriff: German Angst. Die Angst reicht von spezifischen Themen wie der Wirtschaft, Politik oder Umwelt bis hin zur allgemeinen Sorge vor der Zukunft oder Veränderung generell. Wo ist das Problem? könnte man fragen. Immerhin ist Vorsicht die Mutter der Weisheit und es ist sinnvoll, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Problematisch wird es dann, wenn diese Zurückhaltung lähmt und Unternehmen vor Innovationen zurückschrecken lässt, bis sie hinter dem internationalen Wettbewerb zurückfallen.

New Pay ist laut der drei Fachexperten als ein fortschrittliches Konzept zu verstehen, das nachhaltig und zukunftsorientiert ist. Die relative Sicherheit, die Benchmarking bietet, gibt es hier eher nicht. Beim Benchmarking geht es darum, dass Unternehmen sich miteinander vergleichen und die Best Practices der Konkurrenz übernehmen, die sich bereits als erfolgreich erwiesen haben. „Bei New Pay schauen Unternehmen stärker nach innen, auf die eigene Kultur und das eigene Gehaltsgefüge, und nicht darauf, wie es andere machen”, erläutert Hornung. Trotzdem gebe es auch hier natürlich Praktiken anderer Firmen, von denen man für den eigenen Betrieb lernen kann. Allerdings beziehen sich diese auf den Prozess, wie man am besten vorgeht, um ans gewünschte Ziel zu kommen, und nicht auf die Erstellung einer Schablone, die unverändert auf das eigene Unternehmen übertragen werden kann.
Erfolgreiche Implementierung von New Pay im Unternehmen: Die top Tipps der Experten
Da es sich bei New Pay um einen hochgradig individuellen und maßgeschneiderten Ansatz handelt, ist es schwierig, Empfehlungen auszusprechen, die auf jedes Unternehmen zutreffen. Dennoch konnten Stefanie Hornung, Nadine Nobile und Sven Franke in ihrer Zusammenarbeit mit zahlreichen Firmen einige Schritte immer wieder beobachten, die sich als Best Practices erwiesen haben.
In der Meinung des Experten übernehmen Angestellte in der Regel eine hohe Verantwortung, haben ein hohes Kostenbewusstsein und stellen keine unrealistischen Forderungen an das Management.
Will der Mittelstand New Pay?
Viele Organisationen merken, dass die von ihnen genutzten Vergütungssysteme heute nicht mehr greifen, da das Umfeld, in dem sie agieren, sich sehr schnell verändert. Zudem erleben wir Fachkräftemangel und Inflation in unerwarteten Höhen. Das führt zu Unsicherheiten und Fragen, auf die Unternehmen eine Antwort geben müssen. Diese Antworten können Franke zufolge die klassischen Entlohnungsmodellen nicht geben. Warum nicht? „Die Lösung für eine steigende Inflationsrate von beispielsweise 10 % in einem traditionellen System bedeutet, dass die Löhne um 10 % erhöht werden müssen”, erklärt er. Das können sich jedoch nur die wenigsten Firmen leisten. Deswegen sei eine andere Herangehensweise nötig, in der insbesondere Transparenz gegenüber den Mitarbeitern eine große Rolle spiele.
Hornung ergänzt, dass klassische Vergütungsberatungen häufig allgemeine Maßstäbe auf ein Unternehmen anwenden, die auf Annahmen beruhen, wie ein Unternehmen funktionieren sollte, ohne jedoch maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. New Pay setzt genau dort an, indem es sich an den individuellen Bedürfnissen der Firma und der Belegschaft orientiert.
Stefanie Hornung: „Der Vorteil von New Pay ist die sehr individuelle Herangehensweise, in der die Kultur des Unternehmens im Vordergrund steht. Dies soll Organisationen dabei helfen, die Vergütung zu einem anpassbaren Instrument zu machen. So entsteht mehr Bereitschaft, partizipativ und anders zu arbeiten als in der Vergangenheit.”
New Pay eignet sich für jede Art von Unternehmen
Bei New Pay denken viele zuerst an trendige Startups, in denen die Mitarbeiter in Jeans, T-Shirt und Sneakers mit dem Laptop unter dem Arm durch das Büro laufen und Bio-Fairtrade glutenfreie Limonade trinken. Dieses Klischee gilt schon lange nicht mehr, wie Stefanie Hornung weiß. Immer mehr traditionelle, mittelständische Unternehmen kommen auf die Experten zu, auf der Suche nach neuen Lösungen für moderne Vergütungsmodelle. Dabei passt New Pay nicht nur zu Betrieben, die ihre Unternehmensstruktur bereits am New Work-Ansatz ausrichten und mehr „Wir”-orientiert sind, sondern durchaus auch zu anderen Organisationen, so die Journalistin.
„Wir haben nachgewiesen, dass das New Work-Konzept New Pay erfordert”, sagt Franke. „Im Umkehrschluss braucht New Pay allerdings nicht zwangsläufig auch New Work.” Das heißt, New Work müsse nicht in einem Unternehmen implementiert werden, um New Pay zu ermöglichen. Das sorge dafür, dass im Grunde jede Firma - ob traditionelles Produktionsunternehmen oder Tech-Konzern - ein New Pay-Modell entwickeln könne, ohne sich gleich dem New Work-Trend in vollem Umfang zu verschreiben.
Vorteile und Herausforderungen von New Pay
Neue Ideen ziehen Veränderungen nach sich. Veränderungen zu verwirklichen ist oft schwer. Auch New Pay hat nicht nur Vorteile, sondern bringt auch Herausforderungen für Unternehmen mit, wie Nadine Nobile, Stefanie Hornung und Sven Franke wissen.
Zu den Vorteilen zählt laut der New Pay-Initiatoren, dass mit New Pay eine Lösung entwickelt wird, die von vielen Perspektiven getragen ist und dadurch wahrscheinlich eine höhere Akzeptanz haben wird, als ein System, das über den Top-Down-Ansatz im Unternehmen eingesetzt wird.
Außerdem kann die Teilhabe an der Entwicklung eines neuen Entlohnungssystems und die Möglichkeit, einen Beitrag dazu zu leisten, eine stärkende Wirkung auf die Mitarbeiter eines Unternehmens haben, denn im Regelfall werden sie bei der Gestaltung des Vergütungssystems nicht konsultiert.
„Diese Teilnahme kann eine gewaltige Motivation unter der Belegschaft auslösen und auch dazu führen, dass Menschen vergütungsmündig werden, denn sie verstehen, was Vergütung heißt und welche Kriterien eine Rolle spielen", sagt Stefanie Hornung.
Dinge zu verändern ist hingegen immer eine Herausforderung und kann Unsicherheit hervorrufen. Vor allem, wenn das gesamte Unternehmen unter die Lupe genommen wird, anstatt nur der Teilaspekt Vergütung.
„Dann können Missstände und blinde Flecken zutage treten", verdeutlicht Nadine Nobile. „Unternehmen sollten hier nicht vergessen, dass dieser Prozess dem Betrieb letztendlich zugute kommen soll, und bereit sein, unangenehme Fragen in Kauf zu nehmen."
Der New Pay-Ansatz erfordert zudem Geduld, denn es gibt keine Blaupause, die einfach übernommen werden kann. Betriebe müssen sich deshalb mitunter zunächst mit kleinen Schritten zufrieden geben, die dafür aber nachhaltiger sind.
Bei diesem Ansatz ist es zudem besonders wichtig, die Belegschaft von Anfang an einzubeziehen, nicht erst dann, wenn die Lösung bereits voll entwickelt ist. Das kann einigen Unternehmen schwer fallen, weil sie es gewohnt sind, ihren Mitarbeitern Ergebnisse mitzuteilen, anstatt sie am gesamten Prozess einer Problemlösung teilhaben zu lassen.
Software-Lösungen, die Unternehmen auf ihrer New Pay-Reise unterstützen können, sind:
- HR-Software
- Talent-Management-Software
- Mitarbeiterbeurteilung-Software
- Mitarbeiteranerkennung-Software
- Lohnabrechnungsprogramme
- Change-Management-Software