In Zeiten von Home-Office und Corona gibt es die strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben nicht mehr. Wenn die Grenzen immer mehr verschwimmen ist von Work-Life-Blending die Rede. E-Mails werden am Wochenende beantwortet und Kundenanrufe nach Feierabend angenommen. Dafür können Privatangelegenheiten auch während der offiziellen Arbeitszeit erledigt werden.
Work-Life-Blending bietet Vor- und Nachteile. Wir wollten wissen, wie Mitarbeiter damit klarkommen und geben Tipps, wie die Personalabteilung und Manager bei einer erfolgreichen Umsetzung behilflich sein können.
Um mehr über die remote arbeitenden Mitarbeiter aus kleinen und mittelständischen Unternehmen zu erfahren, führten wir eine Studie mit über 2800 Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Italien, dem Vereinigten Königreich, den USA, Kanada und Brasilien durch. Davon wurden 299 Teilnehmer aus Deutschland befragt. In diesem Artikel fokussieren wir uns hauptsächlich auf die Ergebnisse aus Deutschland.
Weiterhin geben wir Tipps, wie Mitarbeiter und Manager Work-Life-Blending erfolgreich umsetzen können, unteranderem mit dem Einsatz der richtigen HR Software.
Highlights der Work-Life-Blending Studie:
- 53 % der Mitarbeiter im Home-Office beantworten berufliche Anrufe vor oder nach den Arbeitszeiten, 48 % arbeiten am Wochenende.
- Die Work-Life-Balance wird von zu Hause besser bewertet, die Sichtbarkeit der Arbeit und Karriereentwicklungen jedoch schlechter.
- 54 % der Arbeitgeber haben nicht mit ihren Mitarbeitern über ihr psychisches Wohlbefinden gesprochen.
- 44 % der Angestellten erleben zu einem gewissen Grad einen Burnout, seit sie im Home-Office arbeiten.
Work-Life-Blending: Die Realität im Home-Office ist Dauererreichbarkeit und Arbeiten nach Feierabend
Die Grafik zeigt deutlich, wie die Grenzen zwischen Privatleben, dem Arbeitsplatz und festen Arbeitszeiten im Home-Office weniger deutlich als beim Arbeiten vom Büro sind.
Dies hat eine höhere Flexibilität und Selbstbestimmung zum Vorteil. Arbeiten können auch am Wochenende und nach der Arbeit erledigt werden, während in den “normalen Arbeitszeiten” private Angelegenheiten erledigt werden können. Dies kann zu einer höheren Produktivität führen, da gearbeitet werden kann, wenn man am fittesten ist. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird dadurch verbessert.
Es gibt jedoch auch einige Nachteile. Schnell kommt es zu Überstunden, wenn Geschäftsangelegenheiten in der Freizeit erledigt und nicht festgehalten werden. Der Leistungsdruck bei der Arbeit von zu Hause ist häufig deutlich höher, da die Sichtbarkeit der Arbeit leidet. Auch kann es zu sozialen Problemen kommen, da Privates nicht mehr vom Geschäftlichen getrennt werden kann und die fehlende räumliche Trennung steht dem Abschalten im Weg.
Die Work-Life-Balance ist zu Hause besser, die Karriereentwicklung leidet jedoch
Wir wollten genauer wissen, wie folgende Faktoren in verschiedenen Arbeitsumgebungen bewertet werden.
Die Work-Life-Balance wird von zu Hause deutlich besser bewertet, als an der Arbeitsstelle. Die Jobzufriedenheit und Motivation halten sich die Waage. Dies hängt häufig von der individuellen Situation des Arbeitnehmers ab, sowie von der Flexibilität und des Verständnisses des Arbeitgebers.
Um die Gründe besser zu verstehen, schauten wir uns die Lebenssituation, der im Home-Office arbeitenden Angestellten an. Mitarbeiter, die mit ihrem Partner oder mit Partner und Kinder zusammenleben sind motivierter bei der Arbeit von zu Hause. Dagegen sind Alleinlebende zu Hause unmotivierter. Werfen wir einen Blick auf die Zahlen, wer bei der Arbeit von zu Hause motivierter ist, sehen wir, dass lediglich 15 % davon allein leben, 36 % leben mit dem Partner und 37 % mit Partner und Kind. Die Aufteilung in puncto Jobzufriedenheit sieht sehr ähnlich aus.
Die Sichtbarkeit der eigenen Arbeit und die Wahrscheinlichkeit einer Karriereentwicklung/Beförderung leiden der Meinung der Mitarbeiter nach im Home-Office. Wir fragten Prof. Dr. Peter M. Wald von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, was HR-Manager tun können, um dem entgegenzuwirken: „HR-Manager können und sollen für Trainings der Führungskräfte sorgen, damit diese auch unter virtuellen Bedingungen fair mit den Mitarbeitenden umgehen können. Hierzu gehört es, virtuell erbrachte Leistungen zu erkennen und anzuerkennen bzw. entsprechende Leistungsvereinbarungen zu treffen.”
Auch die Beziehung zu Managern und Kollegen sowie die Kommunikation mit diesen leidet im Home-Office. Virtuelle Teambuilding Maßnahmen können die Online-Zusammenarbeit im Team verbessern. Videokonferenz-Software kann helfen, Distanzen zu überwinden und den Zusammenhalt im Team zu fördern.
Knapp die Hälfte der Angestellten sind im Home-Office weniger gestresst
26 % der Mitarbeiter sind im Home-Office gestresster, während 48 % weniger gestresst sind.
Wir wollten die Hauptgründe wissen, warum die Mitarbeiter gestresster sind:
- 49 % fehlt die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben.
- 36 % haben Schwierigkeiten beim gleichzeitigen Bewältigen von Arbeit und Privatleben.
- 35 % belastet das Gefühl, immer online sein zu müssen.
Dieser Stress kann zu negativen Einflüssen in der Arbeit sowie zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Immerhin sind knapp ein Drittel der Angestellten von erhöhtem Stress betroffen. Es ist wichtig, dass Mitarbeiter an der richtigen Aufteilung zwischen Arbeit und Privatleben sorgen sowie das Manager und Arbeitgeber sich den Stress ihrer Mitarbeiter bewusst machen, ihn berücksichtigen und die Betroffenen gezielt unterstützen.
44 % der Angestellten erleben zu einem gewissen Grad einen Burnout, seit sie im Home-Office arbeiten
Experten befürchten, dass die Vermischung zwischen Privatleben und Arbeit zu Hause nicht ausgewogen ist. Die Fernarbeit geht oft zulasten des Privatlebens. Der Druck der Dauererreichbarkeit stellt eine große Belastung für Mitarbeiter dar. Ebenso haben Mitarbeiter im Home-Office mehr Druck sich und ihre Arbeit unter Beweis zu stellen, da Manager weniger Einsicht haben.
Wir fragten Prof. Wald nach den Gefahren des Work-Life-Blendings: „Hier existieren beträchtliche Gefährdungspotenziale, vor allem im Sinne eines höheren Stressempfindens und möglicher gesundheitlicher Gefahren. Erste Erfahrungen zeigen, dass Mitarbeitende oft nicht in der Lage sind, eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit bzw. Arbeit und Leben zu erkennen und umzusetzen. Work-Life-Blending kann Zeitdruck sowie Ängste aufgrund von angenommenen oder realen Informationsdefiziten mit sich bringen.”
Dies mussten wir auch in unserer Umfrage feststellen: 44 % der Mitarbeiter in Deutschland erleben einem leichten bis starken Burnout bei der Heimarbeit. Die meistgenannten Symptome sind dabei ein Gefühl von Isolation, Kopfschmerzen und Schlafprobleme.
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland jedoch sehr gut ab. Alle anderen in unserer Umfrage befragten Länder haben mehr mit Burnout-Problemen im Home-Office zu kämpfen.
39 % der Arbeitgeber haben mit ihren Mitarbeitern über ihr psychisches Wohlbefinden gesprochen
Inwieweit Work-Life-Blending funktioniert, liegt im Endeffekt an der individuellen Umsetzung und der Unterstützung durch den jeweiligen Arbeitgeber.
Arbeitgeber müssen in Deutschland viel aktiver werden. 54 % haben ihre Mitarbeiter nicht auf ihr Wohlbefinden im Home-Office angesprochen. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland damit schlecht ab. Arbeitgeber in allen anderen befragten Ländern (bis auf Italien) haben ihre Mitarbeiter öfter auf ihre Stimmung und Probleme im Home-Office angesprochen.
Nur 9 % wollen nach der Krise täglich an die Arbeitsstelle zurück
HR hat eine entscheidende Rolle, die Probleme der Arbeit von zu Hause anzugehen, denn auch in Zukunft wollen Angestellte weiterhin remote arbeiten.
Um in Zukunft Top-Talente zu gewinnen und zu halten, müssen kleine Unternehmen eine flexible Richtlinie für die Arbeit von zu Hause aus für diejenigen Mitarbeiter einführen, die remote arbeiten können und wollen.
Wie die meisten Manager gelernt haben, birgt die Verwaltung von Remote-Mitarbeitern eine ganze Reihe von Herausforderungen mit sich. HR und das Management sollten daher überprüfen, wie sie mit Remote-Mitarbeiter umgehen, um ein erfolgreiches Remote-Arbeiten und Work-Life-Blending zu ermöglichen. Wir haben 3 Tipps für Mitarbeiter sowie Manager, wie sie die Balance zwischen Privat- und Arbeitsleben besser meistern können.
Work-Life-Blending erfolgreich umsetzen, mit unseren 3 Tipps
Eine Sache ist laut Prof. Wald dringend zu beachten: “Mitarbeitende mit familiären Verpflichtungen (Homeschooling, familiäre Sorgearbeit) dürften hier vor nahezu unlösbaren Herausforderungen stehen. Hinzu kommen Fragen der notwendigen technischen Ausstattung (Notebook, Verfügbarkeit einer schnellen Datenverbindung, Schreibtisch).”
Dies außer Acht gibt es 3 Tipps, die Mitarbeiter und Arbeitgeber für eine ausgewogenere Fernarbeit umsetzen können.
Work-Life-Blending Tipp 1: Ausgeprägte Selbstorganisation
Mitarbeiter im Homeoffice sollten sich selbst einen Überblick über ihre Aufgaben verschaffen und ihren Tag unbedingt planen. Selbstorganisation ist besonders zu Hause wichtig, damit tägliche Aufgaben erfolgreich und effizient gemeistert werden.
65 % der Mitarbeiter in unserer Studie nutzen ein oder mehrere Tools, für die persönliche Organisation.
Work-Life-Blending Tipp 2: Zeitmanagement und Arbeitszeit-Regelungen
„Die Unterstützung der Mitarbeitenden beim Lernen und Anwenden eines neuen Zeitmanagements ist hilfreich. Weiterhin sollten Regelungen zur Arbeitszeit und zur konkreten Erreichbarkeit der Mitarbeitenden getroffen werden,” erklärt Prof. Wald.
60 % der Mitarbeiter nutzen ein oder mehrere Tools für ihr Zeitmanagement.
Work-Life-Blending Tipp 3: Die best funktionierenden Kommunikationswege finden
Um Kommunikationsprobleme zu verringern, sollten Manager die Arten der Kommunikation identifizieren, die am besten für ihr Team funktionieren.
Weiterhin sollten mehrere Möglichkeiten für Mitarbeiter implementiert werden, um über ihre Probleme zu sprechen. Mitarbeiter fühlen sich nicht immer wohl dabei, ihre psychische Gesundheit mit ihrem Vorgesetzten zu besprechen. Daher ist es wichtig verschiedene Möglichkeiten für Mitarbeiter einzurichten, Burnout-Probleme anzusprechen (Einzelgespräche, anonyme Umfragen, Hilfsprogramme für Mitarbeiter usw.).
63 % der Mitarbeiter nutzen Software für die Online-Kommunikation, wie Videokonferenz-Software oder interner Chat. Tools für die Online-Zusammenarbeit und das Projektmanagement werden von 43 % genutzt.
Nur gemeinsam können die Herausforderungen gemeistert werden
HR hat jetzt eine ganz entscheidende Rolle, Bedürfnisse und Probleme der Mitarbeiter anzusprechen. Die Personalabteilung und Manager sollten zu diesen Zeiten flexibel auf Mitarbeiter eingehen und ihnen helfen, Schwierigkeiten zu überwinden. Starre Regelungen im Hinblick auf Arbeitszeiten, die oftmals Eltern diskriminieren, sollten überdacht werden.
„Es geht nicht darum, schlechte Arbeitsleistung abzunicken oder sich mit Minderleistung zufriedenzugeben. Es geht darum, dass eine Balance gefunden werden muss zwischen dem Anspruch, seine Arbeit in einer entsprechenden Qualität zu erfüllen und dabei nicht vollkommen auszubrennen. Die Druckpunkte bei Arbeitnehmer*innen sind natürlich sehr individuell. Werden sie aber offen gelegt und angegangen, kann daraus eine stärkere Unternehmenskultur denn je entstehen: Eine Kultur des Vertrauens und der Wertschätzung. Dann redet man eben nicht mehr nur über das Erfüllen von Zielen, sondern um den Beitrag, den jeder zum Unternehmenserfolg leistet – auch unter erschwerten Bedingungen. Regelmäßiger Austausch auf allen Ebenen ist daher wichtig, damit sich jede*r weiterentwickeln kann,” gibt uns Eva Stock abschließend mit auf den Weg.
Es muss Verständnis vorherrschen, dass diese Zeiten für alle extrem belastend sind: Dies gilt auch für Führungskräfte und genauso für die Personalabteilung selbst. Diese brauchen ebenfalls Austauschpunkte und müssen sich gegenseitig mehr denn je unterstützen.
Die neuen Herausforderungen können nur gemeinsam überwunden werden. HR hat eine wichtige Rolle, braucht jedoch auch selbst Unterstützung. Viele Personaler hat die Krise an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht. Nur gemeinsam und mit Unterstützung durch die Fachbereiche können sie die Mitarbeiter erfolgreich durch die Krise führen.
In dem zweiten Teil der Studie schauen wir uns an, wie sich die Sicht auf Arbeitgeber in der Krise verändert hat, welche neuen Fertigkeiten in der Krise erlernt wurden und welche Faktoren bei der Jobwahl am wichtigsten sind.
Methodik der Work-Life-Blending Umfrage
Die Capterra “Personalwesen im Zeitalter von Home-Office und Wohlbefinden” Umfrage wurde im Januar 2021 durchgeführt. Wir befragten Mitarbeiter in Unternehmen mit 2-250 Mitarbeitern in den folgenden Ländern:
- Deutschland (299 Antworten)
- Frankreich (227 Antworten)
- Italien (257 Antworten)
- Spanien (285 Antworten)
- Niederlande (387 Antworten)
- UK (422 Antworten)
- Kanada (303 Antworten)
- USA (279 Antworten)
- Brasilien (418 Antworten)
Für die Umfrage haben sich Mitarbeiter qualifiziert, die in einem Büro, in einem Geschäft oder an einer anderen Arbeitsstelle gearbeitet haben und aufgrund der Pandemie dazu übergegangen sind, von zu Hause aus zu arbeiten.
Die Antworten stellen eine repräsentative Stichprobe (nach Alter und Geschlecht) der Bevölkerung der einzelnen Länder dar.
Hinweis: Es sollte klar sein, dass wir nicht über Burnout sprechen, das von medizinischen Fachleuten diagnostiziert wird. In unserer Untersuchung schätzen die Mitarbeiter selbst ihren Burnout-Grad ein, ohne dass es eine offizielle Diagnose oder einen Selbsttest gibt.